Enthüllung des Bauschildes des Hauses für Demokratie und Vielfalt in Hanau

Typ: Rede , Datum: 20.02.2025

Grußwort von Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser

  • Ort

    Congress Park Hanau

  • Rednerin oder Redner

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kaminsky,

sehr geehrter Herr Bürgermeister Biery,

sehr geehrte Abgeordnete des Bundestags,

sehr geehrte Frau Ministerin Hofmann, liebe Heike,

sehr geehrte Stadtverordneten,

sehr geehrter Herr Gültekin,

sehr geehrte Familie Hashemi,

sehr geehrter Herr Păun,

sehr geehrte Familie Saraçoğlu,

sehr geehrte Familie Unvar ,

sehr geehrte Damen und Herren,

gestern haben wir hier in Hanau gemeinsam der Opfer des furchtbaren rechtsextremen Terroranschlags vor fünf Jahren gedacht. Liebe Frau Unvar, lieber Herr Hashemi, Ihre Worte haben mich tief berührt. Ich danke Ihnen sehr herzlich dafür, dass Sie Ihre Erinnerungen, Perspektiven und Gefühle mit uns teilen – und sich dem Schmerz über Ihren unfassbaren Verlust immer wieder stellen. Vor Ihrer Kraft und Ihrem Mut habe ich höchsten Respekt.

Was hier gestern auch zu sehen war: Diese Stadt hat Schreckliches erlebt und sich davon nicht niederringen lassen. Im Gegenteil: Sie ist stärker als zuvor. Dafür steht das geplante Haus für Demokratie und Vielfalt, dessen Baubeginn wir heute feiern. Es soll ein Ort gegen das Vergessen werden, ein Ort des Erinnerns. Und darüber hinaus: Denn im Haus für Demokratie und Vielfalt soll unser freiheitliches Gemeinwesen sichtbar werden, erfahrbar. Es schafft Raum für Begegnung, für Veranstaltungen, für gelebtes Miteinander. Das brauchen wir gerade mehr denn je.

Denn Rechtsextremismus ist und bleibt eine existenzielle Bedrohung: Für unsere Demokratie. Und für unsere Bürgerinnen und Bürger. Das haben Sie hier in Hanau schmerzhaft erfahren müssen. Und leider steigt die Zahl der rechten Gewaltdelikte aktuell weiter auf ein erschreckendes Rekordhoch.

Im vergangenen Jahr wurden über 1.443 Menschen Opfer von rechtsmotivierten politischen Gewalttaten. Das sind fast vier Fälle jeden Tag. Vier Menschen jeden Tag, die angegriffen werden, die Angst haben, die verletzt werden. Und die ihr Leben lang mit den Folgen einer solchen Tat umgehen müssen.

Nach dem Anschlag vor fünf Jahren bin ich gleich hierhergefahren, damals als Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag – in eine verwundete Stadt. Ich habe das Leid der Angehörigen und Opfer erlebt. Ich habe die Erschütterung gesehen. Die Hilflosigkeit der Hanauerinnen und Hanauer angesichts dieser brutalen und menschen-verachtenden Tat. Die tiefe Trauer über den Verlust von zehn Menschen, die sinnlos aus dem Leben gerissen wurden. Und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Sie und Ihre Kinder, an die Kinder dieser Stadt, denke.

Rechtsextremer Terror tötet. Er vernichtet Existenzen, reißt Familien auseinander, er zerstört Vertrauen. Er raubt das Vertrauen in die Sicherheit, die doch das grundlegende Versprechen unseres Staates ist. Damit bedroht Rechtsextremismus unsere Gesellschaft als Ganzes. Auch, weil er als Ideologie allen Werten zuwiderläuft, die unsere freiheitliche Gesellschaft ausmachen. Weil er Ungleichheit propagiert und Ungleichwertigkeit. Weil er Menschenrechte verächtlich macht. Weil er uns spalten will.

Aber, meine Damen und Herren, in Hanau und auch auf den Straßen unseres ganzen Landes können wir sehen: Diese schlechte Saat geht nicht auf. Denn wir Demokratinnen und Demokraten sind in der Mehrheit! Und wir verteidigen unsere freiheitliche und zum Glück vielfältige Gesellschaft! Wir lassen uns nicht spalten. Wir stehen fest zusammen.

Als Bundesinnenministerin steht der Kampf gegen Rechtsextremismus für mich ganz oben auf der Agenda. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit habe ich den „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ vorgelegt und im letzten Jahr noch einmal erweitert. Um rechtsextreme Ideologien strategisch und gezielt zu bekämpfen. Um Extremisten aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Und ihnen endlich konsequent die Waffen wegzunehmen. Wir haben rechtsextremistische Strukturen zerschlagen. Mit Vereinsverboten wie bei den so genannten „Hammerskins“ oder der rechten Esoterik-Sekte „Artgemeinschaft“. Und wir haben Schritte unternommen, um ihre Hetze zu stoppen. Indem wir zum Beispiel über die Bundeszentrale für politische Bildung dabei helfen, dass Nutzerinnen und Nutzer von Social Media-Plattformen und Messenger-Diensten besser gegen Hassnachrichten vorgehen können. Um unsere Demokratie zu verteidigen, kommt es jetzt auf jede und jeden an.

Weltweit stehen die liberalen Demokratien unter Druck wie nie zuvor. Auch unsere Demokratie war noch nie so gefährdet wie heute. Denn sie steht im Fadenkreuz antidemokratischer Kräfte, von innen wie von außen. Fremde Staaten streuen gezielt Desinformation, um unsere Gesellschaft zu spalten und unsere demokratischen Institutionen zu diskreditieren. Rechtsextremisten und Reichsbürger verbreiten Verschwörungserzählungen und Falschmeldungen. Demagoginnen und Propagandisten versuchen, die Menschen gegeneinander aufzustacheln.

Auch Extremisten mit islamistischer Motivation versuchen uns mit Angst und Schrecken auseinanderzutreiben. So wie der Attentäter in München am vergangenen Donnerstag. Ein weiteres schreckliches Ereignis – während wir alle noch unter dem Schock der nicht minder grausamen Anschläge in Magdeburg und Aschaffenburg standen. Es ist unendlich traurig, dass der Anschlag eine Mutter und ihr zweijähriges Kind aus dem Leben gerissen hat. Wir trauern mit der Familie, für die der Schmerz unermesslich sein muss. Ich habe große Hochachtung dafür, dass die Angehörigen der Verstorbenen sich in dieser schweren Situation noch an die Öffentlichkeit gewandt haben: Mit dem Wunsch, ihre Werte zu achten. Denn die verstorbene Frau setzte sich gegen Ausgrenzung und für Solidarität ein.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns jetzt nicht spalten lassen. Dass wir auf die Kraft unseres Rechtsstaats setzen und unsere freiheitlichen Werte. Mit kühlem Kopf und harter Hand, wo es notwendig ist, aber genauso auch mit Weitsicht, um unsere offene Gesellschaft wirksam vor ihren Feinden zu schützen.

Liebe Hanauerinnen und Hanauer,

dass hier nun das Haus für Demokratie und Vielfalt entsteht, ist ein ganz deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Denn hier entsteht eine Plattform für Bildungsarbeit gegen Rassismus. Und Ihr Haus für Demokratie und Vielfalt ist zugleich ein Leuchtturmprojekt für demokratische Bildung und Teilhabe. Unter einem Dach vereint werden hier zivilgesellschaftlich Aktive, Besucherinnen und Besucher und die Mitarbeitenden des Amts für Sozialen Zusammenhalt und Sport. Das verbindet demokratisch engagierte Menschen von außerhalb mit denen vor Ort und der lokalen Verwaltung. Solche Vernetzungen machen uns stärker im Kampf gegen Extremisten.

In diesem Kampf kommt es auch darauf an, die Erinnerung lebendig zu halten. Und zu zeigen: Die Opfer gehören zu uns – in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Dass der Platz vor dem Haus den Namen „Platz des 19. Februar“ bekommt, wird dazu beitragen, ihr Andenken wach zu halten. Ich freue mich deshalb auch, dass die Frage des Mahnmals gelöst werden konnte. Das Zusammenspiel von Platz, Denkmal, Gebäude und Konzept verbindet hier sehr gekonnt die Vergangenheit mit der Zukunft.

Das Haus für Demokratie und Vielfalt zeigt: Hanau hat es geschafft, dass aus Terror Hoffnung wachsen kann – Hoffnung für kommende Zeiten, Hoffnung auf eine lebendige und wache Demokratie. Und deshalb fördert der Bund dieses wertvolle Vorhaben auch mit 3,4 Millionen Euro. Heute enthüllen wir das Bauschild dafür.

Es ist mir eine Ehre, dabei sein zu können und ich wünsche Ihnen dafür alles Gute!

Vielen Dank.