Gedenkzeremonie "Olympia ‘72" im Vorfeld der European Maccabi (Youth) Games in London
Rede 28.07.2024
Grußwort der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser
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Ort
Haus des Sports des DOSB, Frankfurt am Main
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Rednerin oder Redner
Bundesinnenministerin Nancy Faeser
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr MAKKABI-Präsident Meyer,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Becker,
sehr geehrter Herr Vizepräsident des Zentralrates der Juden Dr. Lehrer,
und vor allem:
Liebe Athletinnen und Athleten,
liebe Trainerinnen und Trainer,
liebes MAKKABI-Team!
Sie alle haben hart trainiert, um in der kommenden Woche in London Bestleistungen zu bringen. Und Sie haben sich lange auf die European Maccabi Youth Games vorbereitet. Um sich im sportlichen Wettkampf mit anderen zu messen – friedlich und fair. Deshalb schon an dieser Stelle meinen herzlichen Glückwunsch zur Teilnahme am wichtigsten jüdischen Sportevent in diesem Jahr – dem ging ja eine harte Qualifikation voraus!
Eine gemeinsame Gegenwart und Zukunft braucht gemeinsames Erinnern. Wir gedenken deshalb gerade heute auch der Opfer des Attentats auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München vor fast 52 Jahren – als Sportbegeisterte, als Unterstützerinnen und Unterstützer des jüdischen Sports und als Menschen, gleich woher.
Zum ersten Mal seit dem National-sozialismus fanden die Olympischen Spiele 1972 wieder in Deutschland statt. Unser Land wollte sich zu diesem besonderen Ereignis als demokratisch und weltoffen präsentieren. Die Stimmung bei der Eröffnung war euphorisch: Mit 27 Mitgliedern lief die israelische Delegation ins neue Olympiastadion ein, vorneweg der Sportschütze Henry Hershkovitz, der die israelische Fahne trug. Er war stolz darauf, die Flagge mit dem Davidstern auf deutschem Boden zu hissen. Für ihn war das der Beweis, dass die Nazis es nicht geschafft hatten, den jüdischen Geist zu brechen. Und die Welt sah diesen fröhlichen Beginn als Beweis, dass Deutschland es wirklich geschafft hatte, sich zu wandeln.
In den folgenden elf Tagen standen die olympischen Werte im Vordergrund: Leistung, Freundschaft und Respekt. Mehr als 7.000 Athletinnen und Athleten aus 121 Ländern kämpften um Medaillen und Rekorde. So viele wie nie zuvor. Das Publikum war begeistert. Es waren heitere und bunte Olympische Spiele.
Bis zu den Morgenstunden des 5. September, als palästinensische Terroristen das Quartier der israelischen Mannschaft überfielen. Der Trainer Mosche Weinberg und der Gewichtheber Yossef Romano wehrten sich heldenhaft – und wurden von den Terroristen erschossen. Neun Mitglieder der Mannschaft nahmen die Terroristen als Geiseln. Die bayerische Polizei versuchte, sie auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck zu befreien und scheiterte auf schreckliche Weise. Alle Geiseln kamen dabei ums Leben. Auch ein bayerischer Polizist und fünf der acht Terroristen.
Das furchtbare Attentat vom Sommer 1972 war ein tiefer Einschnitt für die deutsche und die israelische Geschichte. Die Freude über die Olympischen Spiele war zu Trauer, Wut und Verzweiflung geworden. Denn die deutsche Polizei hat im Verlauf der brutalen Geiselnahme ebenso wie Politik und Behörden beispiellos versagt.
Erst Jahrzehnte später hat man begonnen, aufzuarbeiten, was damals passiert ist – und auch nur auf Druck der Angehörigen. Viel zu lange hat Deutschland dabei keine Verantwortung übernommen. Erst im vorletzten Jahr (2022) ist endlich die Einigung mit den Hinterbliebenen der Opfer über eine Entschädigung erfolgt. Aber auch heute noch sind viel zu viele Fragen zu den damaligen Vorgängen unbeantwortet. Im April 2023 habe ich deshalb eine internationale Kommission beauftragt, das Attentat aufzuarbeiten, einschließlich seiner Vor- und Nachgeschichte: Renommierte Forscherinnen und Forscher sollen Antworten auf die vielen noch offenen Fragen geben. Und sie sollen auch beleuchten, wie die deutschen Behörden mit den Angehörigen umgegangen sind und wie wir das Gedenken an die zwölf Opfer noch besser machen können.
Zusammen mit dem Land Bayern und der Stadt München haben wir zudem gerade die Anton-Fliegenbauer-Kinderstiftung gegründet. Sie unterstützt Kinder und Jugendliche, die in Not geraten sind. Und erinnert an den Münchner Polizisten, der beim misslungenen Befreiungsversuch 1972 getötet wurde.
Als Konsequenz aus den damaligen Fehlern wurde mit Blick auf die innere Sicherheit viel verändert. Seitdem gibt es zum Beispiel die Spezialeinheit GSG 9 der Bundespolizei und Spezialeinsatz-kommandos in den Bundesländern. Die GSG 9 pflegt engen Austausch und Zusammenarbeit mit ihrem israelischen Konterpart JAMAM. Sicherheit hat für uns heute bei allen Sport-Großveranstaltungen oberste Priorität.
Das ist leider auch bitter nötig. Denn Antisemitismus und Terrorismus bedrohen uns auch in der Gegenwart. Die Folgen des barbarischen Terrorangriffs am 7. Oktober spüren wir auch in Deutschland – Angriffe auf Juden und Jüdinnen haben seitdem enorm zugenommen, auch im Sport.
Für mich ist wichtig: Als Bundesregierung bekämpfen wir jede Form von Judenhass! Und wir tun alles, was in unserer Macht steht, damit Jüdinnen und Juden sich in Deutschland sicher fühlen können! Das ist die klare Haltung dieser Bundesregierung.
Der Sport, den wir fördern, kennt nur Fairplay. MAKKABI Deutschland ist dafür ein leuchtendes Vorbild. Respekt steht bei Euch an allererster Stelle. Die meisten Mitglieder von MAKKABI sind selbst gar nicht jüdisch. Aber alle tragen mit Stolz den Davidstern auf ihren Trikots. Das ist sichtbares jüdisches Leben. Und gelebte demokratische Kultur!
Liebe Athletinnen und Athleten,
die verbindende Kraft des Sports ist gerade in diesen Zeiten immer wieder ein Lichtblick am Horizont. Friedlich und fair gemeinsame Momente zu erleben, in bunter Vielfalt, das ist elementar für unseren Zusammenhalt. Für die jüdische Gemeinschaft, für unsere Gesellschaft und weltweit.
Sie werden unser Land bei den European Maccabi Youth Games würdig vertreten. Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich und wünsche Ihnen viel Erfolg!
Und vor allem: Viel Freude bei diesem wunderbaren Fest des internationalen jüdischen Sports!