1. Lesung zum Gesetzentwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts
Rede 30.11.2023
Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser
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Ort
Deutscher Bundestag, Berlin
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Rednerin oder Redner
Bundesinnenministerin Nancy Faeser
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
ich freue mich sehr darüber, dass wir heute in die parlamentarischen Beratungen des Gesetzentwurfs zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts einsteigen.
Warum brauchen wir dieses Gesetz? Weil es unserem Land nutzt. Weil es Deutschland stärker, moderner und international wettbewerbsfähiger macht.
Es ist für unseren Wohlstand existenziell, mehr Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen: Von der Krankenpflegerin aus Brasilien bis zum Experten für Elektrotechnik aus Singapur. Unser neues Fachkräfte-einwanderungsgesetz ist schon beschlossen, jetzt gehen wir mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht den nächsten Schritt. Denn die Option, die deutschen Staatsangehörigkeit zu erwerben, ist ein Pfund, mit dem wir gerade bei Hochqualifizierten wuchern können und müssen.
Wir sind mitten in einem weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe. Und die werden wir nur gewinnen, wenn wir ihnen anbieten können, voll und ganz Teil unserer Gesellschaft zu werden – mit allen demokratischen Rechten. Hochqualifizierte Kräfte werden sich vor allem dann für Deutschland entscheiden, wenn wir ihnen auch die Perspektive geben, hier eine vollständige Heimat für sich und ihre Familie zu finden.
Den Wohlstand von Morgen schaffen wir nicht mit den Regeln gestern!
Und auch das ist ein Fakt: Wir haben in Deutschland mehr als zehn Millionen Menschen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Und mehr als fünf Millionen von ihnen sind seit mindestens 10 Jahren hier bei uns. Diese Menschen leben und arbeiten hier, sind Teil unserer Gesellschaft – aber eben nicht ganz. Es ist im innersten Interesse unseres Landes, dass wir möglichst viele von Ihnen dafür gewinnen, Deutsche zu werden. Sich zu unserem Land, zu unserer Demokratie, zu unseren Werten zu bekennen: Zu Freiheit, Gleichheit und Toleranz. Und als Bürgerinnen und Bürger unseres Landes für diese Werte einzustehen. Als Krönung einer gelungenen Integration.
Und das will ich auch klipp und klar sagen: Kernvoraussetzung für jede Einbürgerung ist dabei – und das möchte ich aus aktuellem Anlass besonders betonen: Deutscher Staatsangehöriger kann nur werden, wer sich zum Leben in unserer freiheitlichen und vielfältigen Gesellschaft bekennt, zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Ohne Wenn und Aber.
Meine Damen und Herren,
Das heißt auch: wer sich antisemitisch betätigt, darf nicht Deutscher werden. Wir alle mussten in den letzten Wochen leider sehen, wie der terroristische Angriff der Hamas am 7. Oktober, wie die grausamen Morde an Jüdinnen und Juden bejubelt wurden. Mitten in Deutschland – auf unseren Straßen und Plätzen. Lassen Sie es mich hier noch einmal in aller Deutlichkeit sagen:
Antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen verstoßen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Sie sind mit unserem Grundgesetz unvereinbar, dessen höchster Wert die Menschenwürde ist. Dieses Stoppschild hatten wir schon lange vor dem 7. Oktober im Gesetzentwurf verankert. Und es gilt auch allen, die jetzt Israel das Existenzrecht absprechen. Denn auch das ist antisemitisch. Sollte sich im weiteren Verfahren zeigen, dass es im Gesetz dazu Ergänzungsbedarf gibt, stehe ich dem ausdrücklich offen gegenüber. Denn für mich ist klar: Die Existenz und Sicherheit Israels sind Teil der deutschen Staatsräson! Jüdisches Leben gehört zu diesem Land! Wer Teil unserer Gesellschaft sein will, muss diese entscheidenden Lehren aus unserer Vergangenheit mittragen! Deshalb ist völlig klar: Wer antisemitische Hetze verbreitet, kann und darf in Deutschland nicht eingebürgert werden.
Deshalb ergreifen wir Maßnahmen, die sicher stellen, dass in den Einbürgerungsbehörden niemand ein bloßes Lippenbekenntnis zu unseren Werten abgibt. Jede Straftat mit antisemitischer, rassistischer oder anderweitig menschenverachtender Motivation schließt eine Einbürgerung aus. Das gilt selbst für Taten in so genannter Bagatellhöhe. Denn für Antisemitismus gibt es null Toleranz!
Mit dem vorliegenden Gesetz bauen wir auch Brücken: Wir ermöglichen Mehrstaatigkeit bei Einbürgerungen. Und wir setzen Anreize für gute Integration: Dann soll die Einbürgerung nach fünf statt bisher nach acht Jahren möglich sein – bei besonders guter Integration sogar schon nach drei Jahren. Andere europäische Partnerländer wie Frankreich, Luxemburg, die Niederlande oder Schweden sind ebenfalls bei fünf Jahren. Polen sogar bei drei.
Gleichzeitig stellen wir angemessen hohe Anforderungen an künftige deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger: dass die- oder derjenige sehr gut Deutsch spricht, sich wirtschaftlich gut integriert hat und besondere Integrationsleistungen vorweisen kann: Beispielsweise, weil er oder sie sich ehrenamtlich engagiert oder einen sehr guten Berufsabschluss erreicht hat. Das ist ein klarer Anreiz. Den Menschen sagen wir damit: Leistung lohnt sich, Anstrengung lohnt sich, Integration lohnt sich!
Lasst uns gemeinsam Deutschland voranbringen. Und qualifizierten Menschen im Ausland, die überlegen, ob sie nach Deutschland kommen oder nach Kanada oder in die USA gehen sollten, sagen wir: Wir brauchen euch hier, ihr seid hier willkommen!
Meine Damen und Herren,
mit diesem Gesetzesvorhaben leiten wir einen längst überfälligen Paradigmenwechsel ein. Wir machen als Bundesregierung aber auch ganz klar: Die Anforderungen und Standards für eine Einbürgerung bleiben hoch. Schon heute gilt: Staatsangehöriger kann nur werden, wer wirtschaftlich integriert ist.
Das bedeutet konkret, seinen Lebensunterhalt ohne SGB II- oder XII- Leistungen bestreiten zu können. Als Bundesregierung haben wir vereinbart, dass wir in diesem zentralen Punkt noch klarer werden: Indem wir ganz konkret geregelt haben, welche Fälle von diesem zentralen Grundsatz ausgenommen sind. Auch in dieser Hinsicht haben wir die Anforderungen für eine Einbürgerung damit nochmals angehoben. Wer hier von Verramschen spricht, kennt die Fakten nicht - oder streut den Menschen ganz bewusst Sand in die Augen.
Meine Damen und Herren,
aus der Opposition haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten viel zum Staatsangehörigkeitsrecht gehört. Mehr Differenziertheit hätte den meisten der Beiträge gutgetan. Ich lade Sie ein, bringen Sie sich konstruktiv ein – und stimmen Sie diesem Gesetz für ein modernes Deutschland zu! Unsere Reform baut Brücken. Sie macht Menschen ein Angebot, von dem wir alle profitieren. Machen wir es ihnen leicht, dieses Angebot mit Freude anzunehmen.
Ich danke Ihnen!