Erste Lesung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Deutschen Bundestag

Typ: Rede , Datum: 27.04.2023

Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser

  • Ort

    Deutscher Bundestag, Berlin

  • Rednerin oder Redner

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

Deutschland ist ein Einwanderungsland – und zwar schon sehr lange. Dass die Unionsparteien das so lange bestritten haben, war ein Riesenfehler zu Schaden unseres Landes. Das spüren wir an allen Ecken und Enden.

In der Konsequenz fehlen uns heute Hunderttausende qualifizierte Kräfte: in der Pflege, in der Kinderbetreuung, in der IT-Branche, im Handwerk und vielen anderen Bereichen. Ende letzten Jahres gab es rund 2 Millionen offene Stellen, das ist der höchste je gemessene Wert. Das zeigt, wie groß der Handlungsbedarf ist.

Der Mangel an Fachkräften ist mittlerweile für uns alle spürbar: Wenn die Kita die Betreuungszeiten einschränken muss, wenn das kaputte Dach nicht sofort repariert werden kann, und – hier wird es wirklich gefährlich – wenn in Kliniken Personal fehlt, um Notfälle zu versorgen.

Der Fachkräftemangel schadet unserem Land. Und er bremst uns bei wichtigen Zukunftsthemen aus – etwa beim Klimaschutz. Allein für den Ausbau von Solar- und Windenergie fehlen im Moment über 200.000 Fachkräfte – vor allem Elektriker, Klimatechniker und Informatiker. Das darf nicht so bleiben. Und deshalb handelt diese Bundesregierung!

Denn, und das sage ich in aller Deutlichkeit: Wir brauchen mehr Zuwanderung von Fachkräften aus anderen Ländern, um unseren Fachkräftebedarf zu decken. Ohne diese Zuwanderung wird es nicht gehen!

Wer das nicht wahrhaben will, der gefährdet unsere Unternehmen, der gefährdet unsere Wirtschaft, und der gefährdet den Wohlstand unseres Landes!

Und, liebe Abgeordnete der Union, wenn ich Sie nicht davon überzeugen kann, ihre Abwehrhaltung in dieser Frage zu ändern, dann interessiert sie vielleicht die Haltung der Arbeitgeberverbände – die sind da nämlich sehr klar:

"Viele Unternehmen setzen darauf, dass der Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten weiter erleichtert wird."  - so formulierte es zum Beispiel der DIHK-Präsident.

Diese Bundesregierung beendet jetzt den Reformstau der letzten 16 Jahre! Wir schaffen die Grundlagen, um die Fachkräfte ins Land zu holen, die unsere Wirtschaft dringend braucht. Und: Wir werden für gut integrierte und gut qualifizierte Menschen auch ermöglichen, deutsche Staatsbürger zu werden.

Denn beides – Fachkräfteeinwanderung und ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht – geht nur zusammen!

Das kann man zum Beispiel an klassischen Einwanderungsländern wie Kanada deutlich sehen: Wenn man dort Fachkräfte fragt, warum sie nach Kanada kommen, sagen sie klipp und klar: Weil ich hier die Perspektive auf Einbürgerung habe.

Wir dürfen uns nichts vormachen: Deutschland ist für ausländische Fachkräfte bisher nicht das Top-Ziel. Denn unsere aktuellen gesetzlichen Regelungen sind viel zu bürokratisch und sie bauen hohe Hürden für qualifizierte Menschen auf, die in Deutschland arbeiten wollen.

Wenn sie die Wahl haben, entscheiden sich Fachkräfte oft für andere Länder wie zum Beispiel die USA oder eben Kanada. Deutschland steht mit diesen Ländern im Wettbewerb um die besten Köpfe – deshalb lohnt es sich, das dortige Einwanderungsrecht genau anzuschauen und davon zu lernen.

Aus unseren Gesprächen in Kanada haben Hubertus Heil und ich vor allem eines mitgenommen: Um attraktiver zu werden, müssen sich Fachkräfte aus dem Ausland bei uns willkommen fühlen – und da haben wir leider - auch dank der Rhetorik einiger in der Opposition - noch viel Luft nach oben. Wir brauchen in Deutschland eine echte Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte! 

Diese Regierungskoalition leitet deshalb einen Kurswechsel ein, damit ausländische Fachkräfte schnell nach Deutschland kommen und hier durchstarten können. Und es ist nicht übertrieben, wenn ich sage:

Damit schaffen wir das modernste Einwanderungsrecht, das Deutschland je hatte!

Der wichtigste Weg nach Deutschland wird auch in Zukunft ein Abschluss sein, der in Deutschland anerkannt ist. Der zweite Weg nach Deutschland führt über die Erfahrung:

Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Ausland erworbenen Berufsabschluss hat, kann künftig als Fachkraft kommen.

Der dritte Weg steht Menschen offen, die Potenzial für den deutschen Arbeitsmarkt mitbringen, aber noch kein konkretes Angebot haben: Wir führen eine Chancenkarte ein, die auf einem Punktesystem basiert.

Damit erleichtern wir die Suche nach einem Arbeitsplatz deutlich.

All das ist entscheidend, damit wir eine Chance haben, im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen. Ich werbe deshalb um Ihre Unterstützung auf dem Weg zu einem modernen Einwanderungsrecht – damit die Menschen den Weg zu uns finden, die wir so dringend brauchen.

Damit wir unser Land gemeinsam voranbringen. Vielen Dank!