Erste Lesung zum Demokratiefördergesetz im Deutschen Bundestag

Typ: Rede , Datum: 15.03.2023

Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser

  • Ort

    Deutscher Bundestag, Berlin

  • Rednerin oder Redner

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Abgeordnete,

wir sprechen dieser Tage viel über die Bedrohungen von außen – zum Beispiel durch Desinformation. Aber gezielte Falschmeldungen, Stimmungsmache gegen Minderheiten und offene Demokratiefeindlichkeit kommen nicht nur aus russischen Trollfabriken. Es gibt sie auch bei uns, und zwar mitten in unserer Gesellschaft.

Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: Unsere Demokratie ist nicht selbstverständlich! Wir müssen sie aktiv schützen und gegen ihre Feinde verteidigen – nach außen wie nach innen.
Erst vor wenigen Wochen haben unsere Sicherheitsbehörden das bisher größte mutmaßliche Terror-Netzwerk von Reichsbürgern aufgedeckt.
Nach den rassistischen Morden des NSU, den entsetzlichen Anschlägen von Halle und Hanau und dem furchtbaren Mord an Dr. Walter Lübcke zeigt das ein weiteres Mal: Die größte Bedrohung unserer Demokratie ist der Rechtsextremismus!

Rechtsextremisten sind allerdings nicht die einzigen Feinde der offenen Gesellschaft: Auch Islamismus und andere Formen von Extremismus bedrohen unsere Demokratie.
Es darf keinen Zweifel geben: Wir müssen jede Form von Extremismus und Demokratiefeindlichkeit entschlossen bekämpfen. Und zwar als gesamte Gesellschaft!

21 islamistische Anschläge haben unsere Sicherheitsbehörden seit der Jahrtausendwende verhindert. Zuletzt im Januar in Castrop-Rauxel, dort hatten zwei Brüder nach derzeitigem Kenntnisstand einen Giftanschlag geplant. Wir sind und bleiben sehr wachsam.

Aber natürlich ist unser wichtigstes Ziel, dass Menschen am besten gar nicht erst zu Tätern werden! Wir dürfen nicht warten, bis extremistische Ideen mit Gewalt durchgesetzt werden. Unsere Demokratie ist vor allem dann wehrhaft, wenn wir dafür sorgen, dass Hass und Gewalt gar nicht erst entstehen. Wir brauchen beides: Repression und Prävention!

Demokratie beginnt in den Köpfen und den Herzen der Menschen, mit dem Denken und Handeln jedes Einzelnen. Deshalb sind Präventionsprojekte so wichtig, die genau dort ansetzen und gefährdete Menschen ansprechen – um zu verhindern, dass extremistische Ideologien in unsere Gesellschaft einsickern und sich Menschen radikalisieren.

Darauf zielt auch unser Bundesprogramm "Zusammenhalt durch Teilhabe". Es sensibilisiert Engagierte in Vereinen und Verbänden und befähigt sie, für demokratische Werte einzustehen
Wer ehrenamtlich tätig ist, sollte zum Beispiel Rechtsextremismus erkennen können, wenn er ihm begegnet. Wenn eine Übungsleiterin im Sportverein oder bei der Feuerwehr hört, dass jemand rassistisch beschimpft wird, dann muss sie intervenieren können.

Ein weiteres Beispiel ist der Verein "Grüner Vogel". Er begleitet islamistisch Radikalisierte auf ihrem Weg weg von der Gewalt und zurück in die Gesellschaft. Der Verein berät auch Familienangehörige.
Dieses Engagement ist unverzichtbar. Die Menschen, die das leisten, sind das Rückgrat unserer Demokratie! Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger engagieren sich jeden Tag für unsere demokratische Kultur, viele davon ehrenamtlich. Sie haben eine verlässliche Unterstützung verdient!

Mit dem Demokratiefördergesetz stärken wir unsere demokratische Zivilgesellschaft.

Und das ist gegen Extremismus, gegen Angriffe auf unsere Demokratie, gegen Hass und Menschenfeindlichkeit das stärkste Bollwerk!

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erhält der Bund erstmals eine rechtliche Grundlage, um eigene Maßnahmen durchführen und zivilgesellschaftliche Projekte zu fördern, die unsere Demokratie stark machen.
Wir können damit Bürgerinnen und Bürger bei ihrem Engagement gegen Extremismus und für Demokratie und Vielfalt unterstützen – und zwar nachhaltig, verlässlich und bedarfsorientiert.

So schaffen wir endlich mehr Planungssicherheit für die Menschen, die jeden Tag für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt arbeiten.

Dieses Gesetz ist deshalb nicht nur ein Meilenstein für die Förderung der Demokratie. Es ist dringend nötig und lange überfällig!
Unser Anspruch war von Anfang an, das Demokratiefördergesetz nicht nur für, sondern auch mit der Zivilgesellschaft zu entwickeln. Ich bin froh, dass die Expertise von vielen zivilgesellschaftlich Engagierten in den Gesetzentwurf einfließen konnte. Denn sie sind es, die täglich die Grundlagen unseres Zusammenhalts sichern. Sie wissen, was gebraucht wird, um diese Arbeit erfolgreich fortzuführen.

Meine Damen und Herren,
die Förderung unserer Demokratie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In diesem Sinne zähle ich auf Ihre Unterstützung – damit es uns nun gemeinsam gelingt, dieses wichtige Gesetz weiter auf den Weg zu bringen!