dbb Jahrestagung 2023
Rede 09.01.2023
Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser
-
Ort
Kongresszentrum Nord Köln Messe, Köln.
-
Rednerin oder Redner
Bundesinnenministerin Nancy Faeser
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Silberbach,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Wüst,
sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Reker,
liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
ich danke Ihnen herzlich für die Einladung zur Ihrer Jahrestagung. Auch am 9. Januar kann man noch ein frohes und gesundes neues Jahr 2023 wünschen!
Viele Neujahrsgrüße enthielten dieses Jahr vor allem einen Wunsch: Dass 2023 ein ruhigeres, ein friedlicheres Jahr wird als das zurückliegende. Dass es ein Jahr wird, in dem wir den Krisenmodus zumindest ein Stück weit verlassen können. Ein Jahr, in dem wir uns weniger Sorgen machen müssen und vielleicht sogar zwischendurch mal durchatmen können. Das alles wünsche ich Ihnen für das vor uns liegende Jahr.
Und vor allem wünsche ich dem ukrainischen Volk nach über 300 Tagen des russischen Angriffskriegs Erfolg im Kampf gegen Putins Aggression und endlich wieder ein Leben in Frieden.
Ihre Jahrestagung haben Sie unter das Motto gestellt: "Was ist notwendig für ein Comeback des starken Staates?“ Ich glaube, wir sind uns hier alle einig: Wir haben einen starken Staat, der sich in den vielen Krisen bewährt hat. Die Menschen haben zusammengehalten und halten auch jetzt zusammen. Die staatlichen Institutionen haben bewiesen, dass sie unter schwierigsten Bedingungen handlungsfähig sind – für die Sicherheit und den Zusammenhalt in unserem Land.
Dieser Zusammenhalt ist die Voraussetzung für einen starken Staat und damit für eine starke Demokratie. Wir brauchen ihn gerade in Zeiten, in denen unser demokratisches Gemeinwesen vor außergewöhnlichen Herausforderungen steht – politisch, wirtschaftlich und ökologisch.
In diesen vielen unterschiedlichen Krisen und bei den großen Veränderungen, die wir gerade erleben, sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes das Rückgrat unseres Staates:
Als die Corona-Pandemie unser Land in Angst und Schrecken versetzte, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern und Ordnungsbehörden uns alle geschützt: unter größten Anstrengungen haben sie Kontakte nachverfolgt und die Regeln zum Infektionsschutz umgesetzt. Dafür mussten sie teilweise sogar massive Anfeindungen in Kauf nehmen.
Als im vergangenen Jahr viele Tausend Frauen und Kinder vor Putins Bomben nach Deutschland geflüchtet sind, haben die Kolleginnen und Kollegen in den in den Bundes- und Landesbehörden Tag und Nacht gearbeitet, um sie aufzunehmen, unterzubringen und ihnen hier einen sicheren Hafen zu bieten.
Und jetzt, da infolge des Krieges die Preise für Energie und Lebensmittel immer weiter ansteigen, sind es die Kolleginnen und Kollegen in den Ministerien, die innerhalb von kürzester Zeit Strategien und Gesetze erarbeiten, um die Menschen in Deutschland zu unterstützen. Dabei sind sicherlich viele an ihre persönlichen Grenzen und auch darüber hinaus gegangen.
Mein herzlicher Dank gilt deshalb allen Angehörigen des öffentlichen Dienstes – den Kolleginnen und Kollegen in den Ämtern und Schulen, in den Krankenhäusern, bei der Polizei, beim Zoll, in der Bundeswehr, in unseren Ministerien und Behörden. Ohne sie hätten wir die vergangenen Jahre nicht bewältigen können, dieses Land kann stolz auf Sie sein!
Meine Damen und Herren,
unser Staat ist handlungsfähig – und er muss wehrhaft sein. Leider erleben wir immer mehr gewalttätige Übergriffe gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst – auf Polizistinnen und Polizisten, aber auch auf Mitarbeiter in Ordnungsämtern und Kommunalverwaltungen. Das bereitet mir große Sorgen.
Diese Angriffe kommen aus ganz verschiedenen Milieus, doch ihnen ist eins gemeinsam: sie verachten unseren Staat und sie verachten unsere Demokratie. Ein erschreckendes Beispiel dafür sind Angriffe auf Rettungskräfte in der Silvesternacht. Wie perfide ist es, Feuerwehrleute, Polizisten oder Sanitäter in Hinterhalte zu locken, um sie zu attackieren! Es darf keinerlei Zweifel geben: die Menschen, die uns alle schützen, müssen darauf vertrauen können, dass der Rechtsstaat auch sie schützt. Rettungskräfte anzugreifen, ist verachtenswert und absolut inakzeptabel!
Wir haben in der Silvesternacht ein Ausmaß an Gewalt erlebt, dass mich fassungslos und wütend macht. Und ich bin auch hier für Klartext: Wir haben in deutschen Großstädten ein Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten, Gewalttaten begehen und mit Bildungs- und Integrationsprogrammen kaum erreicht werden. Das muss man klar benennen, ohne Ressentiments zu schüren und ohne zu generalisieren.
Es geht um ganz bestimmte Gewalttäter. Unter ihnen leidet oft die ganze Nachbarschaft, darunter viele Menschen mit Migrationsgeschichte – auch unter ihnen gibt es null Verständnis für Gewalt und Randale. Wir dürfen als Staat nicht zulassen, dass junge Gewalttäter ihre Viertel terrorisieren!
Die Polizei muss deshalb sehr konsequent in diese Brennpunkte hineingehen. Junge Gewalttäter müssen schnelle und deutliche strafrechtliche Konsequenzen spüren. Und ganz entscheidend ist auch: Die Strafe muss auf dem Fuße erfolgen. Das schafft Respekt vor unserem Rechtsstaat – und es zeigt, dass unser Staat sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt!
Meine Damen und Herren,
null Toleranz gegenüber Angriffen auf unseren Staat und unsere Demokratie gilt aber vor allem auch für extremistische Bedrohungen – zum Beispiel für die Umsturzpläne aus der Reichsbürger-Szene, die wir im Dezember des letzten Jahres durch einen Großeinsatz von 3.000 Polizeikräften aus Bund und Ländern abwehren konnten.
Viel zu lang wurde diese gefährliche Szene unterschätzt. Viel zu lang wurden Reichsbürger als "harmlose Spinner“ abgetan. Ich will es deshalb sehr deutlich sagen: Wer unsere Demokratie mit Waffengewalt bekämpfen will, muss zu jedem Zeitpunkt damit rechnen, dass sich unser Rechtsstaat mit aller Härte verteidigt. Sie alle müssen wissen: Dieser Staat weiß sich zu wehren!
Meine Damen und Herren,
wehrhaft muss der Staat aber auch von innen sein – nämlich dann, wenn es um Extremisten in den Reihen des öffentlichen Dienstes geht. Wer für den Staat arbeitet, muss sich aktiv zu den Werten des Grundgesetzes bekennen.
Dazu gehört auch, sich klar und deutlich von Gruppen und Aussagen zu distanzieren, die unsere Verfassung angreifen. Wer den Staat verachtet, kann ihm nicht dienen.
Es sind nur wenige – gemessen an der Zahl der Beschäftigten –, die hier auffallen. Aber sie sind ein Sicherheitsrisiko und sie haben das Potenzial, das Vertrauen in den gesamten Öffentlichen Dienst nachhaltig zu erschüttern.
Deshalb werden wir Extremisten konsequent aus dem öffentlichen Dienst entfernen – durch schnellere Disziplinarverfahren und eine leichtere Beendigung des Beamtenverhältnisses bei Volksverhetzungen.
Denn wir lassen nicht zu, dass der Rechtsstaat von Extremisten sabotiert wird. Das schulden wir allen Angehörigen der Sicherheitsbehörden und des öffentlichen Dienstes, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.
Ich halte es für wichtig, dass die Disziplinarbehörden Extremisten künftig selbst aus dem Dienst entfernen können. Die Entfernung durch den Dienstherrn – und eben nicht erst durch ein Gericht – dient nicht nur der Beschleunigung, sie dient auch der Selbstreinigung. Denn für mich ist klar: Extremisten haben im öffentlichen Dienst nichts zu suchen!
Meine Damen und Herren,
bei allen Krisen, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, hat sich gezeigt: Unser Staat ist wehrhaft, und er ist handlungsfähig. Besonders gefreut hat mich, dass es im Ernstfall in den unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Dienstes eine große Solidarität untereinander gab – entgegen des weit verbreiteten Klischees, dass Beamte immer zuerst schauen, ob sie auch wirklich zuständig sind. Auf allen föderalen Ebenen gibt es zahlreiche Beispiele, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in stärker belasteten Bereichen ausgeholfen und ihre Kollegen unterstützt haben.
Die Erfahrungen, die in dieser Zeit entstanden sind, haben positive Veränderungen angestoßen. An vielen unterschiedlichen Stellen im öffentlichen Dienst machen sich Menschen gerade Gedanken darüber, wie unser Arbeiten agiler und flexibler werden kann – und zwar sehr konkret.
Diese Flexibilität ist dienstrechtlich möglich und notwendig – sie wird von den Menschen in unserem Land aber auch zu Recht erwartet. Denn ein starker Staat muss in jeder Situation gut reagieren können – für die Sicherheit und das Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger. Und das ist der Geist, der uns alle hier in den Dienst für das Gemeinwohl geführt hat.
Meine Damen und Herren,
ein starker Staat ist wehrhaft, er ist handlungsfähig und er ist auf der Höhe der Zeit. Und dafür brauchen wir die klügsten Köpfe für den öffentlichen Dienst. Hier stehen wir in einem Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern. Diesem Wettbewerb werden wir uns künftig mit der eigenen Arbeitgebermarke für die gesamte Bundesverwaltung stellen. Mit einer crossmedialen Kampagne werden wir über das Arbeiten in der Bundesverwaltung informieren, Einblicke gewähren und für eine Tätigkeit in unseren Behörden werben.
Denn der öffentliche Dienst ist der ideale Ort für alle, die unser Land und unsere Gesellschaft gestalten wollen! Wer sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für den Klimaschutz oder für unsere Umwelt engagieren will, den brauchen wir in den Behörden von Bund, Ländern und Kommunen – und das müssen wir noch deutlicher machen!
Oft sind es aber auch individuelle Fragen, die darüber entscheiden, ob sich Bewerbende für oder gegen uns als Arbeitgeber entscheiden. Schon jetzt haben wir beim Bund eine Menge Instrumente, um in schwierigen Fällen der Personalgewinnung Lösungen anzubieten – und ich kann die Behörden der Bundesverwaltung nur dazu aufrufen, diese Instrumente bei Bedarf auch zu nutzen.
Ein wichtiger Faktor ist natürlich auch eine faire und wettbewerbsfähige Bezahlung. Darüber werden wir in der anstehenden Tarifrunde reden und solche Verhandlungen sind natürlich nie einfach. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir gemeinsam zu einer ausgewogenen Tarifeinigung kommen werden!
Denn gerade diejenigen, die wie Sie Ihre Arbeitskraft in den Dienst der Allgemeinheit stellen, müssen gut durch diese Krise kommen – das ist mir besonders für die einstelligen Tarif- und Besoldungsgruppen persönlich sehr wichtig. Das sage ich auch mit Blick auf die Anpassung der Bundesbesoldung an die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes vom Mai 2020.
Deswegen werde ich jetzt darauf drängen, dass ein entsprechender Gesetzentwurf sehr bald in die Ressortabstimmung geht. Es ist gut, dass den Beamtinnen und Beamten mit Blick auf den im Jahr 2021 ausdrücklich erklärten Verzicht der Notwendigkeit zur Einlegung von Rechtsbehelfen keine Rechtspositionen verloren gehen.
Meine Damen und Herren,
der öffentliche Dienst beweist auch mit Blick auf die konkreten Arbeitsbedingungen seine Modernisierungsfähigkeit: In meinem Ministerium haben wir zum Beispiel die Möglichkeit dafür geschaffen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als die Hälfte ihrer monatlichen Arbeitszeit ortsunabhängig arbeiten können. Damit schaffen wir einen guten Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben und steigern unsere Attraktivität als Arbeitgeber.
Uns allen ist aber auch klar, dass es im öffentlichen Dienst immer Tätigkeiten geben wird, bei denen es diese Möglichkeit nicht gibt – weil sie im direkten Kontakt mit Menschen stehen. Für die Familienberatung ist der persönliche Kontakt essenziell, Sportunterricht findet in der Sporthalle statt und Brände können nicht aus dem Homeoffice gelöscht werden. Die "Arbeit am Menschen“ macht diese Tätigkeiten aus, und das wird auch so bleiben. Auch hier muss es uns aber um gute Arbeitsbedingungen und Flexibilität gehen.
Gute Arbeitsbedingungen bedeutet auch, dass wir das Thema Arbeitszeit im Blick haben müssen. Deshalb lasse ich derzeit prüfen, wie für besonders belastete Beschäftigtengruppen arbeitszeitrechtliche Entlastungen ermöglicht werden können. Wir werden außerdem auch das Thema der Langzeitkonten für Beamte und Tarifbeschäftigte in meinem Haus weiter vorantreiben.
Meine Damen und Herren,
ein starker Staat auf der Höhe der Zeit ist digital. Und das nicht nur, weil die Attraktivität des öffentlichen Dienstes steigt, wenn die Arbeitsabläufe moderner und digitaler werden. Sondern auch, weil eine digitale öffentliche Verwaltung entscheidend ist, um das Zutrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat zu stärken.
Ich sehe dabei das BMI für die öffentliche Verwaltung als Motor der Digitalisierung. Im April hat mein Haus die digitalpolitischen Ziele benannt, die wir in dieser Legislaturperiode vorantreiben wollen:
- Wir bauen zum Beispiel die Digitalakademie des Bundes aus und machen neue Fortbildungsangebote, die den Kulturwandel in unseren Behörden fördern sollen.
- Mit der Verwaltungscloud schaffen wir die Möglichkeit, digitale Anwendungen in der gesamten öffentlichen Verwaltung zu nutzen.
- Der Antreiber und Gradmesser der Digitalisierung wird auch weiterhin das Onlinezugangsgesetz sein.
Das Onlinezugangsgesetz ist das bisher größte Modernisierungsprojekt der Verwaltung. Und ich sage als Ministerin, die dieses wichtige Projekt geerbt hat, mit aller Deutlichkeit: Hier müssen wir als Staat auf allen Ebenen noch besser und noch schneller werden! Denn die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass sie Verwaltungsleistungen digital abwickeln können. Deshalb werden wir an dieser Stelle nicht lockerlassen!
Meine Damen und Herren,
ich habe es bereits zu Beginn meiner Rede gesagt: Ein starker Staat braucht den Zusammenhalt von Menschen und staatlichen Institutionen. Für mich heißt das auch: Wenn wir diesen Zusammenhalt stärken und auf der Höhe der Zeit sein wollen, dann muss sich die Vielfalt unserer Gesellschaft auch im öffentlichen Dienst widerspiegeln!
Die Bundesregierung will mehr Menschen mit Migrationsgeschichte im öffentlichen Dienst. So haben wir uns das im Koalitionsvertrag vorgenommen – und das ist auch richtig so, weil die Perspektiven, die sie einbringen, für den öffentlichen Dienst sehr wertvoll sind.
Wir haben nach wie vor die Situation, dass sich zu wenige Menschen mit Einwanderungsgeschichte im öffentlichen Dienst bewerben. Das wollen wir ändern: Indem wir aktiver auf sie zugehen, indem wir unsere Bewerbungsverfahren diversitätssensibler aufstellen und auch die interne Verwaltungskultur so verändern, dass sich Personengruppen mit verschiedenen Hintergründen willkommen fühlen.
Wir starten jetzt damit, gemeinsam Maßnahmen zu erarbeiten, die unkompliziert von allen in der Bundesverwaltung umgesetzt werden können. Wir wollen einen gemeinsamen Standard aller Ministerien und ihrer Geschäftsbereiche von den Einstellungsverfahren bis hin zur Verwaltungskultur. In den kommenden Monaten wird die Bundesregierung ihre neue Diversitätsstrategie erarbeiten. Es würde mich sehr freuen, wenn auch der dbb sich aktiv und direkt in diese Arbeit einbringt!
Meine Damen und Herren,
ein starker Staat ist handlungsfähig, er ist wehrhaft und er ist auf der Höhe der Zeit. Und: Ein starker Staat braucht einen starken öffentlichen Dienst – gerade in unruhigen Zeiten mit vielen Herausforderungen.
Sie alle und ihre fünf Millionen Kolleginnen und Kollegen haben in den vergangenen Jahren außergewöhnliches geleistet. Sie alle sind der starke Staat – und sie leisten jeden Tag einen großen Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Dafür danke ich ihnen herzlich und freue mich auf die Diskussion!