Sommerempfang der Initiative D21

Typ: Rede , Datum: 23.06.2022

Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser

  • Ort

    Studio 14 – die rbb Dachlounge, Masurenallee 20, Berlin

  • Rednerin oder Redner

    Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Schwaderer,
liebe Lena-Sophie Müller,
meine sehr verehrten Damen und Herren, 

ich freue mich sehr, heute beim Sommerfest der Initiative D21 zu Gast zu sein. Denn ich schätze die Arbeit von D21 sehr! Und mein Haus, das Bundesinnenministerium, blickt auf eine lange und für beide Seiten sehr gewinnbringende Zusammenarbeit mit D21 zurück:

  • 2015 startete das BMI in Kooperation mit D21 den Beteiligungsprozess zur Nutzung von offenen Verwaltungsdaten. Auf einer Onlineplattform wurden Ideen für Open Data gesammelt. Die Ideen fanden Eingang in den Open-Data-Aktionsplan der Bundesregierung.
  • D21 war in den Jahren 2016 und 2017 Programmpartner unseres Digitalen Flüchtlingsgipfels.
  • Am Digital-Gipfel der Bundesregierung hat D21 ebenfalls lange mitgewirkt. D21 hatte bei der Plattform 6 zur "Digitalen Verwaltung und öffentliche IT" den Co-Vorsitz inne.
  • Und D21 ist Herausgeber des E-Government-Monitors, dessen Schirmherrschaft ich in diesem Jahr gerne übernommen habe. Der Monitor liefert seit 2011 jedes Jahr ein Lagebild zur Nutzung und Akzeptanz digitaler Verwaltungsangebote in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 

Auf dieser guten Zusammenarbeit möchte ich aufbauen. Die Unterstützung von D21 ist mehr denn je willkommen – und auch absolut erforderlich.

Denn die Bundesregierung – und insbesondere das Bundesinnenministerium – haben sich für die Digitalisierung viel vorgenommen in dieser Legislaturperiode. Und wir – meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Innenministerium und ich – sind für wesentliche Bereiche der Digitalisierung zuständig. 

Meine Ambition ist es, die Digitalisierung in den Bereichen, für die ich verantwortlich bin, bis 2025 massiv voranzubringen. Deshalb habe ich im April mein Digitalprogramm vorgestellt. Es liefert eine ehrliche Bestandsaufnahme und definiert Kern-Vorhaben, die wir nun mit aller Kraft umsetzen. 

Wir werden zum Beispiel mehr staatliche Leistungen für Menschen und Unternehmen digitalisieren, die digitale Souveränität festigen und die Cybersicherheitsarchitektur modernisieren, um nur einige Punkte zu nennen. Außerdem werden wir einen Digitalcheck einführen, mit dem Gesetze des Bundes digital und praxistauglich erarbeitet werden.

Ein weiterer sehr wichtiger Bereich in meinem Digitalprogramm ist der Zugang zu den Daten und ihre Nutzung. 

Der datenpolitische Anspruch dieser Regierungskoalition ist ambitioniert: Der Koalitionsvertrag enthält zahlreiche datenbezogene Gesetzesvorhaben, wie zum Beispiel ein Datengesetz, ein Transparenzgesetz – und darüber hinaus noch viele weitere datenpolitischen Maßnahmen, zum Beispiel die Gründung eines Dateninstitutes. 

Innerhalb der Bundesregierung gibt es nicht das eine Ressort, das für das Datenthema zuständig ist. Datenpolitik ist ein Querschnittsthema. Wir wollen die Datenpolitik in der Verwaltung und für die Verwaltung, aber auch für die Wirtschaft und die Gesellschaft gestalten. Dafür ist mein Haus, das Bundesinnenministerium, mit seinen vielfältigen Zuständigkeiten prädestiniert: 

  • Seit jeher ist das BMI für den Datenschutz zuständig. Und zwar nicht nur auf Staat und Verwaltung beschränkt, sondern auch für den Umgang mit Daten von Bürgern, Verbrauchern, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
  • Der weite Bereich von Open Data fällt in unsere Zuständigkeit. Der Koalitionsvertrag sieht zum Beispiel einen Rechtsanspruch auf Open Data vor.
  • In dieselbe Richtung geht das Vorhaben des Koalitionsvertrags, die Informationsfreiheitsgesetze zu einem Bundestransparenzgesetz Auch daran arbeitet mein Haus.
  • Generell haben wir die Federführung für Verwaltungsdaten. Und nicht zuletzt sind wir auch für den Bereich der Statistik Das Statistische Bundesamt ist eine nachgeordnete Behörde des BMI.

Sie sehen: Die Voraussetzungen, um in der Datenpolitik große Schritte nach vorne zu machen, sind im BMI gegeben.

Meine Damen und Herren, 

wer Zugang zu Daten hat und wer sie wie nutzen darf, ist mittlerweile eine hochkomplexe Rechtsfrage. Es ist aber auch eine Machtfrage, eine Frage der Gerechtigkeit und eine Frage der Inklusion. Deshalb verfolgen wir in der Datenpolitik vier übergeordnete Ziele: 

  1. Wir wollen die Wertschöpfung durch die Nutzung von Daten erhöhen.
  2. Wir wollen die schädliche Datenmacht einiger weniger Unternehmen in die Schranken weisen.
  3. Wir wollen die Grundrechte schützen.
  4. Und wir wollen das Gemeinwohl fördern, indem Daten zugunsten der Allgemeinheit eingesetzt werden können.

Daten enthalten Informationen. Information bringt Wissen hervor. Und Wissen ist Macht. Das ist keine neue Erkenntnis. Das wissen wir schon lange. Neu ist allerdings, zu welch ungeheurer Marktmacht der Datenzugang einiger weniger großer Unternehmen mittlerweile geführt hat.

Um diese Datenmacht nicht zu groß werden zu lassen, brauchen wir verschiedene Instrumente: Natürlich das Kartell- und Wettbewerbsrecht, aber auch die Demokratisierung des Datenzugangs.

Hier gibt uns die AG Datendemokratie der Initiative D21 wertvolle Anregungen:

Zunächst müssen mehr Daten als bisher frei zugänglich sein. Das ist der Grundgedanke von Open Data. Natürlich müssen Daten, die steuerfinanziert generiert werden, grundsätzlich der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Wir brauchen aber auch Datenzugangsansprüche gegen Unternehmen. Daran arbeiten wir derzeit beim EU Data Act.

Auch das Instrument der Datenspende wollen wir verstärkt nutzen. Hierbei geht es darum, dass Einzelne Daten für nichtkommerzielle Zwecke zur Verfügung stellen. Die EU nennt das "Datenaltruismus". Der Data Governance Act ruft die Mitgliedstaaten dazu auf, Strategien zur Förderung des Datenaltruismus zu entwickeln. Es sollen Anreize zur freiwilligen Datenteilung geschaffen werden.

Ohne weitere Datenteilungspflichten wird es jedoch nicht gehen. Denn es ist sehr aufwändig, Daten in einem für alle nutzbaren Format, in hoher Qualität und barrierefrei bereit zu stellen. Meine Partei hatte deshalb vor einiger Zeit schon einmal ein „Daten-für-alle-Gesetz“ vorgeschlagen. Das war ein wichtiger Ansatz mit vielen guten Ideen.

So, wie eine Bibliothek einem Nutzer nichts bringt, wenn er oder sie nicht lesen kann, so bringt einem der beste Datenzugang nichts, wenn man die Daten nicht kompetent nutzen kann. Deshalb wollen wir auch die Datenkompetenz der Gesellschaft voranbringen.

Und auch mehr Datenkompetenz bei Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern brauchen wir dringend. Denn sie müssen die spätere Veröffentlichung der Daten bei ihrer täglichen Arbeit berücksichtigen.

Aber der beste Datenzugang und die größte Datenkompetenz nützen nichts, wenn man die Daten aus rechtlichen Gründen nicht nutzen darf. Hier stehen uns die schwersten Abwägungsentscheidungen bevor:

Wir wollen die Daten für die gute Sache einsetzen – zum Beispiel bei der Bekämpfung des Klimawandels, bei der Gesundheitsversorgung, bei der Verbesserung der Mobilität und in der wissenschaftlichen Forschung.

Dem stehen aber oft Datenschutz, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und geistiges Eigentum entgegen. Ein Kompromiss ist nicht immer möglich. Ich wünsche mir, dass das Gemeinwohl hier stärkeres Gewicht in der Abwägung erhält.

Lassen Sie es mich an einem Beispiel deutlich machen, das die Chancen und Risiken derselben Datennutzung gut illustriert:

Satellitendaten werden immer präziser. Hochaufgelöst sind wohl mittlerweile 30 cm pro Pixel möglich. Lange war der Zugang zu Satellitendaten Staaten, Forschungseinrichtungen und allenfalls großen Unternehmen vorbehalten.

Jetzt gibt es private Anbieter von Satellitendaten. Die Bilder kosten nicht mehr viel oder sind sogar frei zugänglich. Die Demokratisierung der Satellitenbilder sorgt für Transparenz. Ich gebe Ihnen ein, wenn auch sehr schlimmes, Beispiel. Bei dem Massaker in Butscha konnte mit ihrer Hilfe nachgewiesen werden, dass die Leichen schon vor dem Abzug der russischen Truppen in den Straßen lagen. Die Daten dienten also der Wahrheitsfindung.

Andererseits: derart hochauflösende Bilder laden natürlich auch zu Missbrauch ein – und sei es nur, dass potenzielle Einbrecher herausfinden können, vor welchem Haus seit drei Tagen das Auto nicht mehr steht.

Sollten der Zugang und die Nutzung von Satellitendaten frei oder beschränkt sein?

Solche Fragen können nur politisch entschieden werden. Dem schwierigen Verhältnis zwischen Gemeinwohl, Transparenz und individuellen Schutzansprüchen müssen und werden wir uns in den nächsten Monaten intensiv widmen – beim Datengesetz, beim Transparenzgesetz, beim Dateninstitut, bei der Datenstrategie, beim Data Act und bei vielem mehr.

Meine Damen und Herren,

ich bin sehr froh, heute Abend in so viele Gesichter blicken zu können, die daran mitwirken wollen, bei der Digitalisierung voranzukommen. Der persönliche Kontakt mit Ihnen ist durch nichts zu ersetzen. Das kann man wohl selbst in der Digitalpolitik-Blase behaupten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen ein schönes Sommerfest mit anregenden Gesprächen!