GovTech-Gipfel 2022 des Handelsblattes
Rede 23.06.2022
Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser
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Ort
Axica Kongress- und Tagungszentrum, Pariser Platz 3, 10117 Berlin
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Rednerin oder Redner
Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
dass Deutschland beim Thema Digitale Verwaltung nicht gerade zu den Spitzenreitern gehört, ist kein Geheimnis. Vieles in unserem Alltag funktioniert mittlerweile komplett digital. Aber bei Verwaltungsdienstleistungen müssen die Menschen immer noch viel zu oft zum Amt laufen.
Die Themen, die beim diesjährigen GovTech-Gipfel diskutiert worden sind, zeigen aber, dass es gerade viel Bewegung gibt.
Ich finde, hier ist sehr deutlich geworden: Die Digitalisierung der Verwaltung ist ein Prozess, der immer weiterläuft und sich entwickelt. Wir haben hier keinen Punkt, an dem wir sagen können: Jetzt ist dieser Prozess abgeschlossen. Jetzt ist die Verwaltung in Deutschland digitalisiert.
Vielmehr ist es so, dass es immer Veränderung und Weiterentwicklung geben muss und wird. Das Tempo dieser Veränderung ist aber unterschiedlich schnell. Gerade in Krisenzeiten gibt es manchmal große Schritte nach vorne:
Zu Beginn der Corona-Pandemie haben wir zum Beispiel sofort gehandelt und innerhalb weniger Wochen den Antrag auf Unterstützungsleistungen für Bürger und Unternehmen auch online ermöglicht. Deshalb sind heute bundesweit Online-Anträge für ALGII verfügbar. Auch alle Entschädigungsprogramme für Unternehmen funktionieren digital.
Und auch auf den furchtbaren russischen Angriffskrieg in der Ukraine haben wir digital reagiert: Kurz nach Kriegsbeginn hat mein Ministerium das Portal Germany4Ukraine gelauncht. Dort bieten wir amtliche Informationen für Geflüchtete aus der Ukraine in mehreren Sprachen an. Geflüchtete können für viele Kommunen und Landkreise direkt im Portal den Aufenthaltstitel online beantragen.
Ein genauso pragmatisches und schnelles Handeln wünsche ich mir für alle Bereiche der Verwaltungsdigitalisierung – auch außerhalb von Krisen. Als Innenministerin möchte ich in der Digitalpolitik neue Kräfte freisetzen. Das Bundesinnenministerium wird dafür Vorreiter und Antreiber sein!
Die Bundesregierung ist angetreten, um unseren Staat und seine Verwaltung nachhaltig zu modernisieren. Wir wollen einen Staat, der die Kooperation mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft sucht. Einen Staat, der mehr Transparenz und Teilhabe in seinen Entscheidungen bietet. Einen Staat, der mit einer unkomplizierten, schnellen und digitalen Verwaltung das Leben der Menschen einfacher macht.
Das ist mein Leitbild, wenn ich über die Digitalisierung der Verwaltung spreche. Und um das zu erreichen, braucht es politische Führung und ambitionierte Ziele. Deshalb habe ich im April dieses Jahres mein Digitalprogramm vorgestellt. Es liefert eine ehrliche Bestandsaufnahme und definiert Kern-Vorhaben, die wir nun mit aller Kraft umsetzen.
Wir müssen aber auch unser eigenes Arbeiten verändern und offen für neue Ideen sein. Deshalb fördern wir konsequent die Zusammenarbeit der Verwaltungen mit Experten von außen, zum Beispiel durch Fellowship-Programme. Deshalb bauen wir die Digitalakademie des Bundes zur zentralen Fortbildungsstelle für die Digitalkompetenzen der Bundesbediensteten aus. Und deshalb erproben wir neue Formen der Zusammenarbeit und Arbeitsteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
Im Koalitionsvertrag haben wir uns ausdrücklich dazu bekannt, dass die Verwaltung agiler, digitaler und interdisziplinärer werden muss. Das werden wir als Bundesregierung auch in der täglichen Arbeit von uns selbst konsequent einfordern.
Konkret heißt das zum Beispiel, für eine neue Form der digitalen Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung zu sorgen und das alte Silodenken der einzelnen Ressorts zu überwinden. Dafür bauen wir gerade die ressortübergreifende Plattform GovLab.DE für die Zusammenarbeit bei hochkomplexen Projekten auf. Dort sollen dauerhaft Ressourcen, Infrastrukturen, Methoden und Fachexpertise bereitgestellt und gebündelt werden.
Der Aufbauprozess von GovLab.DE ist bereits angelaufen. Ich beabsichtige, meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundeskabinett die Plattform nach der Sommerpause vorzustellen und zur Nutzung durch alle Bundesministerien freizugeben.
Meine Damen und Herren,
nur ein digital souveräner Staat kann frei und selbstbestimmt die Digitalisierung gestalten. Die digitale Souveränität sicherzustellen und zu festigen, ist eines der zentralen Anliegen meiner Digitalpolitik.
Digitale Souveränität bedeutet, dass die öffentliche Verwaltung selbstbestimmt digitale Lösungen aus vielen verschiedenen Alternativen wählen und diese dann auch sicher einsetzen kann.
Wir wollen und werden die Abhängigkeiten von großen Monopolanbietern reduzieren, indem wir verstärkt auf Open-Source-Lösungen, offene Schnittstellen und gemeinsame Standards setzen.
Denn die Abhängigkeit von Monopolisten und privaten IT-Anbietern schafft viele Probleme: Die Informationssicherheit ist eingeschränkt, oft besteht rechtliche Unsicherheit und die Kosten sind schwer kontrollierbar – um nur einige Baustellen zu nennen.
Gemeinsam mit Ländern und Kommunen haben wir deshalb eine "Strategie zur Stärkung der Digitalen Souveränität" beschlossen. Eine zentrales Element dieser Strategie ist der Aufbau des Zentrums für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS). Das Zentrum wird sicherstellen, dass moderne und leistungsfähige Open Source Software-Lösungen verfügbar sind.
Zusammen mit den Ländern entwickeln wir außerdem einen Souveränen Arbeitsplatz – eine modulare und auf Open Source basierende alternative Arbeitsplatzumgebung. Auch die Plattform Open CoDE zum Austausch von Open Source Software Lösungen wird einen großen Beitrag leisten zu dem Ziel, die digitale Souveränität der Verwaltung zu festigen.
Sie sehen: Wir sind auf vielen verschiedenen Ebenen unterwegs, um hier voranzukommen!
Meine Damen und Herren,
eine weitere wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Digitalisierung der Verwaltung ist eine souveräne Cloud Umgebung.
Die gemeinsame Arbeit von Bund und Ländern an der Deutschen Verwaltungscloud-Strategie wird das Thema Cloud Computing in der öffentlichen Verwaltung weit voranbringen. Die Strategie ist die Grundlage für gemeinsame Standards und offene Schnittstellen. Wir ermöglichen der Verwaltung damit eine Cloud-übergreifenden Nutzung von Anwendungen nach dem Grundsatz "build once, run everywhere".
So schaffen wir attraktive neue Märkte. Wir stärken unsere Verhandlungsposition gegenüber Softwareanbietern. Und damit auch die digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung.
Ich freue mich sehr über die Erfolge, die wir hier gemeinsam erreicht haben. Die hervorragende föderale Zusammenarbeit ist ein Aushängeschild, auf das wir zurecht stolz sein können!
Bei all diesen Aktivitäten können wir aber auf eins nicht verzichten: Unsere Sicherheit. Unsere Netze, Daten und Programme müssen vor digitalen Angriffen geschützt sein.
Angesichts des furchtbaren russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wird immer deutlicher, wie sehr die äußere und die innere Sicherheit miteinander zusammenhängen. Das gilt gerade für die Cybersicherheit. Wir sehen, wie wichtig sichere digitale Systeme, Prozesse und Strukturen für unsere wehrhafte Demokratie sind.
Noch vor der Sommerpause werde ich deshalb die neue Cybersicherheitsagenda des BMI vorstellen. Wir brauchen gefahrenabwehrende Befugnisse, mit denen Cyberangriffe verhindert, beendet oder zumindest abgeschwächt werden können. Wir werden dem Bund die führende Rolle in der Abwehr von Cyber-Gefahren geben und das auch im Grundgesetz verankern. Und wir werden das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zur Zentralstelle der IT-Sicherheit ausbauen und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern deutlich vertiefen.
Der Staat muss in diesem Bereich resilienter werden. Denn es geht um die Funktionsfähigkeit unserer kritischen Infrastruktur und damit um die Versorgung von Millionen Menschen!
Sehr geehrten Damen und Herren,
zum Schluss lassen Sie uns eines vom heutigen Tag mitnehmen: Wir sind auf dem richtigen Weg! Noch nie zuvor haben wir so viele Initiativen und Maßnahmen angestoßen, um die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung noch schneller voran zu bringen.
Es wird sicher etwas dauern, bis wir tatsächlich dort sind, wo wir hinwollen. Wir haben eine ehrgeizige Agenda und einige ambitionierte Projekte vor uns. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir in dieser Legislatur viele Erfolge sehen werden.
Ich bedanke mich bei allen Beteiligten für diesen großartigen Gipfel und wünsche mir, dass Sie weiter so engagiert für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung einstehen!