Werkstattgespräch der Deutschen Islamkonferenz
Rede 05.05.2022
Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser
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Ort
"Helix Hub" in Berlin-Mitte
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Rednerin oder Redner
Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Repräsentantinnen und Repräsentanten des muslimischen Lebens in Deutschland!
Vielen Dank, lieber Herr Thießen, für diese Bestandsaufnahme - was die Deutsche Islamkonferenz in den letzten Jahren an Ergebnissen erarbeitet und an Prozessen angestoßen hat, finde ich sehr beeindruckend! Ihr Beitrag führt mir noch einmal sehr deutlich zwei Punkte vor Augen:
Erstens:
Wir stehen nicht am Anfang des Weges. Die Deutsche Islamkonferenz trägt seit geraumer Zeit dazu bei, die Anliegen der Musliminnen und Muslime in Deutschland auf Augenhöhe zu besprechen.
Miteinander zu sprechen statt übereinander, auch und gerade dann, wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt - das ist eine ihrer wichtigsten Errungenschaften.
Die Islamkonferenz hat mit dazu beigetragen, dass Musliminnen und Muslime selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft wurden. Die Frage des „Ob“ ist mittlerweile ganz klar beantwortet: Mit der Einführung von islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, mit der Etablierung islamischer Theologie an öffentlichen Universitäten, mit der Teilhabe von Musliminnen und Muslimen in der Wohlfahrtspflege oder an gesellschaftlichen Debatten, um nur einige Beispiele zu nennen.
Das alles erfährt in Staat und Gesellschaft breite Akzeptanz, meine Damen und Herren!
Zweitens:
So gut sich das auch anhören mag, wir sind noch lange nicht am Ziel. Es kommen Dinge voran. Aber wir stecken auch tief in Debatten, wie oder auch mit wem bei der Kooperation zwischen Staat und Muslimen vorangeschritten werden kann.
Ich bin sicher, dass wir für die offenen Fragen gute Wege und Lösungen finden werden. Gleichzeitig, und das ist mir ein sehr persönliches Anliegen, ist die Ablehnung, die Musliminnen und Muslime immer noch in Teilen der deutschen Gesellschaft erfahren, sind Muslimfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus nicht hinnehmbar!
Ich komme gerade aus dem Bundeskanzleramt, wo Bundeskanzler Olaf Scholz die Familien der Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau empfangen hat. Ich war am 19. Februar in Hanau auf dem Hauptfriedhof und habe dort an der Gedenkfeier teilgenommen.
Bei diesen Anlässen wird immer wieder deutlich, wie tief der Schmerz bei den Angehörigen – aber auch bei den Freunden, Nachbarn, in der Stadt – weiterhin sitzt. Wie stark eine solche Tat nicht nur Familien zerreißt, sondern auch die Gesellschaft zu zerreißen droht.
Ich habe schon in Hanau betont: Der Täter ermordete neun Menschen, weil sie eine Einwanderungsgeschichte hatten. In seinem Rassismus hielt er sie für „Fremde“. Das waren sie nicht. Sie gehörten – sie gehören – zu uns, zu unserer Gesellschaft. Wie wir alle, wie Sie und wie ich.
All diese Taten, der NSU, der Terror von Halle, der Mord an Walter Lübcke, der terroristische Anschlag vom Breitscheidplatz, haben einen Nährboden: ein Klima der Menschenverachtung, der Abwertung des Anderen, der gesellschaftlichen Spaltung. Dieses Klima ist es, das gewaltbereite Extremisten anstachelt und im schlimmsten Fall zur Tat schreiten lässt.
Viele Menschen sind jeden Tag von Rassismus betroffen. Für Musliminnen und Muslime gilt das oftmals doppelt: Sie erfahren Ablehnungen und Anfeindungen als Angehörige der islamischen Religion und oft auch als Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Das dürfen wir als Gesellschaft nicht akzeptieren!
Für mich ist die Deutsche Islamkonferenz deshalb auch das ganz klare Zeichen an alle, die das nicht hören oder akzeptieren wollen: Die Musliminnen und Muslime in Deutschland und ihre Religion sind ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft - der Staat nimmt sich ihrer Anliegen an.
Und dazu gehört auch: Die Islamkonferenz ist keine Sicherheitskonferenz. Ich unterstütze ausdrücklich die Entscheidung, Sicherheitsthemen aus der Islamkonferenz herauszuhalten.
Ja, die Prävention und die Bekämpfung islamistischen Extremismus und Terrorismus ist wichtig und wird weiterhin mit Nachdruck betrieben. Erst heute Morgen war ich auf einer Veranstaltung, in der sich Kommunen zu ihren Erfahrungen aus einem vom BMI geförderten De-Radikalisierungsprojekt ausgetauscht haben.
Aber, und dabei bleibe ich, hier in diesem Kreis ist nicht der Ort dafür. Musliminnen und Muslime dürfen nicht unter einen allgemeinen Extremismusverdacht gestellt werden.
Die Deutsche Islamkonferenz ist vielmehr das zentrale Forum für den Dialog des Staates mit Musliminnen und Muslimen zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Teilhabe.
Sie soll dazu beitragen, einen Islam der Muslime in Deutschland zu befördern. Ein Islam, der als Teil der Gesellschaft akzeptiert wird. Einen Islam, der sich eigenständig auf der Grundlage unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung entfalten kann. Ich möchte die Islamkonferenz in diesem Sinne sehr gerne fortführen und fortentwickeln.
Es ist mein Anspruch, dass sich dabei alle mitwirkenden Personen, Organisationen und Initiativen schon in der Konzeptionsphase einbringen und austauschen können. Deshalb findet auch das heutige Werkstattgespräch statt.
Die Islamkonferenz soll keine BMI-Veranstaltung sein. Vielmehr ist sie zuallererst Ihre Konferenz! Heute ist eine gute Gelegenheit, die kommenden drei Jahre zu planen. Und ich möchte Ihnen sehr herzlich für Ihr Engagement danken.
Wir wissen: Prozesse der Aushandlung von Teilhabe und Integration verlaufen nicht geradlinig. Es gibt Fortschritte, es gibt Rückschläge. Aber der heutige Tag zeigt: Wir wollen und werden beharrlich weitergehen auf dem Weg der Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Teilhabe für das muslimische Leben in Deutschland.
Ich wünsche Ihnen, ich wünsche uns viel Erfolg dabei!