Fachkonferenz "Auf dem Weg zu einem Demokratiefördergesetz – Impulse, Chancen und Herausforderungen"
Rede 04.05.2022
Rede der Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser
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Ort
Oderberger Stadtbad GLS CAMPUS BERLIN
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Rednerin oder Redner
Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Frau Kollegin Paus,
sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihr Kommen! Ich freue mich sehr, dass wir heute gemeinsam über das Demokratiefördergesetz sprechen können.
Denn was über viele Jahren nicht gelungen ist, wird nun endlich kommen: Die neue Bundesregierung wird in dieser Legislaturperiode die Zivilgesellschaft langfristig und nachhaltig stärken und ein Demokratiefördergesetz umsetzen. Darüber freue ich mich sehr!
Das Demokratiefördergesetz ist auch ein Gesetz für Sie - um Ihr Engagement anzuerkennen und zu fördern. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns zum Gesetzgebungsprozess eng austauschen. Und dass Sie Ihre Positionen und Ihre Expertise einbringen können.
Das Bundesfamilienministerium und das Bundesinnenministerium haben nun im Februar den Beteiligungsprozess begonnen. Wir haben an rund 200 Organisationen und Institutionen ein Diskussionspapier versandt. Und ich freue mich sehr, dass wir von Ihnen fast 170 Stellungnahmen und Hinweise dazu bekommen haben. Die werden für uns beim Gesetzgebungsprozess sehr hilfreich sein!
Mit der Veranstaltung heute schließen wir den vorgelagerten Beteiligungsprozess ab. Ich bin sicher, dass Sie auch gleich noch wertvolle Hinweise für uns haben, die im Gesetzgebungsverfahren helfen können.
Meine Damen und Herren,
wir alle haben das Privileg, in einer funktionierenden Demokratie zu leben – unter dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Grundgesetzes. Unsere Demokratie ist wehrhaft. Aber die Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit haben uns auch gezeigt, dass wir sie so stark wie nie zuvor schützen und verteidigen müssen.
Unser Leben wurde in den letzten zwei Jahren von zwei Ereignissen maßgeblich bestimmt, die auch zwei unterschiedliche Blickwinkel auf die Demokratie erlauben: Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine.
Die Pandemie hat uns alle im täglichen Leben und in unseren Freiheiten in einem Maße eingeschränkt, das wir vorher nicht für möglich gehalten hätten. Ich bedaure sehr, dass in dieser Zeit in Teilen der Bevölkerung Zweifel an der Demokratie aufgekommen sind.
Vielleicht wäre im Rückblick und mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen von heute die ein oder andere Entscheidung anders ausgefallen. Aber insgesamt haben sich unsere demokratischen Strukturen in dieser Krise bewährt. Deutschland ist bis heute im Vergleich zu anderen Staaten gut durch die Pandemie gekommen.
Und noch ein einschneidendes Ereignis gibt uns eine neue Perspektive auf unsere Demokratie: der verbrecherische russische Angriffskrieg in der Ukraine.
Wir sehen täglich, wie Familien durch den Krieg auseinandergerissen werden. Wir sehen, wie viele Menschen unfassbares Leid erfahren. Wir werden aber auch Zeugen des beeindruckenden Mutes und der Entschlossenheit der Menschen in der Ukraine.
Sie kämpfen unter Einsatz des eigenen Lebens darum, selbstbestimmt und in Freiheit leben können. Für sich und ihre Kinder wollen sie das erkämpfen, was wir viel zu oft für selbstverständlich halten – ein Leben in einem freien Land, in einer Demokratie.
Meine Damen und Herren,
sie alle treten aktiv für unsere Demokratie ein. Jede und jeder von Ihnen repräsentiert eine Organisation oder Institution, die sich der Demokratieförderung verschrieben hat. Dafür bin ich Ihnen zutiefst dankbar und werde Ihre Arbeit mit aller Kraft unterstützen.
Denn zivilgesellschaftliches Engagement für unsere Demokratie ist unverzichtbar. Auch dank Ihrer Arbeit wurde in den vergangenen Jahren viel erreicht. Es bleibt aber auch noch viel zu tun.
Ich will und muss es erneut sagen: Die größte Bedrohung für unsere Demokratie ist der Rechtsextremismus. Wir müssen ihn und alle anderen Formen von Extremismus frühzeitig und sehr entschlossen bekämpfen.
Extremismus in jeder Form ist ein Angriff auf unsere Lebensweise und eine Gefährdung für unseren demokratischen Rechtsstaat. Extremismus wendet sich gegen den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Auch in Deutschland haben wir viel zu viele Opfer extremistischer Gewalt zu beklagen. Nicht erst seit den schrecklichen Anschlägen von Halle und Hanau. Gegner der Demokratie, Rassisten, Anhänger von Verschwörungstheorien, Antifeministen und Antisemiten bedrohen unsere Gesellschaft und ihre Grundprinzipien. Täglich erleben Menschen Hass und Hetze im Internet.
Vor zwei Wochen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz das aktuelle Lagebild Antisemitismus vorgestellt. Wir mussten erneut zur Kenntnis nehmen, dass insbesondere seit der Corona-Pandemie Verschwörungstheorien, Verharmlosung des Holocaust und Hass gegen Israel starken Zulauf haben. Hier ist der Staat gefragt – mit Prävention und Härte.
Diesem Grundsatz folgt auch der von meinem Haus entwickelte Aktionsplan gegen Rechtsextremismus. Denn Politische Bildung, Prävention und entschlossenes Handeln unserer Sicherheitsbehörden gehören zusammen.
Meine Damen und Herren,
neben den staatlichen Maßnahmen ist die Arbeit der Zivilgesellschaft – Ihre Arbeit – unersetzlich. Wir brauchen in Deutschland demokratisches Engagement und überzeugte Demokratinnen und Demokraten. Die Förderung der Demokratie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Der Bund wird hierzu verlässlich seinen Beitrag leisten. Deshalb wollen wir im Rahmen der verfassungs- und haushaltsrechtlichen Vorgaben Projekte der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention nachhaltig unterstützen.
Dazu und auch für eigene Maßnahmen soll der Bund mit dem Demokratiefördergesetz erstmals einen gesetzlichen Auftrag erhalten. Das ist überfällig und ich bin sehr froh, dass wir hier nun einen großen Schritt vorangehen können.
In einer im April veröffentlichten Umfrage des Allensbach-Instituts zum politischen System in Deutschland haben 31 Prozent der Befragten angegeben, dass sie in einer „Scheindemokratie“ leben, „in der Bürger nichts zu sagen haben“.
Das finde ich alarmierend. Und es zeigt, dass wir nicht nachlassen dürfen. Ich will wieder mehr Bürgerinnen und Bürger von der Demokratie und von einer offenen, vielfältigen Gesellschaft überzeugen.
Lassen Sie uns gemeinsam – Staat und Zivilgesellschaft – daran arbeiten, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu verbessern. Lassen sie uns gegen Vorurteile, Ressentiments und Hass eintreten. Und überzeugend lassen Sie uns für ein respektvolles und gewaltfreies Miteinander werben.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihr Engagement und freue mich auf den Austausch mit Ihnen!