Neuregelung des Familiennachzuges zu subsidiär Schutzberechtigte
Rede 07.06.2018
Rede des Bundesministers Seehofer anlässlich der ersten Lesung zur Neuregelung des Familiennachzuges zu subsidiär Schutzberechtigte im Deutschen Bundestag
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Ort
Deutscher Bundestag
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Rednerin oder Redner
Horst Seehofer, Bundesinnenminister
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!
Wir debattieren heute über neue Rechtsgrundlagen für den Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten. Subsidiär Schutzberechtigte sind Personen, die einen eingeschränkten Schutzstatus in unserem Lande und in der Regel nur ein befristetes Bleiberecht haben. Seit dem Jahre 2013 bis einschließlich des Jahres 2017 gab es 265 000 Anerkennungen von subsidiär Schutzberechtigten. Das ist der für den Familiennachzug potenziell infrage kommende Personenkreis. Wir werden, da dieser Familiennachzug von März 2016 bis August dieses Jahres ausgesetzt ist, ab dem 1. August 2018 neue rechtliche Grundlagen für den Familiennachzug aus humanitären Gründen bekommen, sofern Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen, und zwar begrenzt auf 1 000 Personen im Monat.
Ich möchte, nachdem ich ja sehr intensiv an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen habe, darauf hinweisen, dass die Zahl 1 000 nicht willkürlich gegriffen ist, sondern dass dies eine Anlehnung an das Relocation-Programm der EU ist, das wir bis zum März dieses Jahres gegenüber Italien und Griechenland erfüllt haben. Da war für jedes Land die Zahl von 500 Personen vereinbart. Aus beiden Ländern zusammen durften also 1 000 Personen pro Monat in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, so wie in andere EU-Länder auch. Diese Verpflichtung ist weggefallen. An ihre Stelle kommt nun die Zahl 1 000 beim Familiennachzug aus humanitären Gründen für subsidiär Schutzberechtigte.
Es gibt auf diesen Familiennachzug keinen Rechtsanspruch, sondern im Gesetzentwurf ist eine Reihe von humanitären Gründen genannt, die beispielhaft, aber nicht abschließend aufgezählt sind. Es geht um den Familiennachzug der Kernfamilie. Humanitäre Gründe, die zur Genehmigung dieses Familiennachzuges führen können, sind beispielsweise die Dauer der Trennung, minderjährige Kinder, Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Behinderung, und dies immer unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls und von Integrationsaspekten. Ich glaube, wenn wir im Gesetz insbesondere die humanitären und damit auch die menschlichen Gründe aufführen, ist das eine gute Grundlage für den Familiennachzug.
Es gibt auch klare gesetzliche Regelungen, für wen der Familiennachzug nicht infrage kommt. Erstens muss die Ehe vor der Flucht geschlossen sein.
Zweitens dürfen keine schwerwiegenden Straftaten begangen worden sein. Und drittens darf es sich nicht um Gefährder handeln.
Eine vierte Regelung, die im Gesetzentwurf, wie ich finde, sehr gut verschärft wird, ist, dass zusätzliche Anreize ausgeschlossen werden sollen, die dadurch entstehen, dass Minderjährige von ihren Eltern unter Gefährdung des Kindeswohls auf die gefährliche Reise vorgeschickt werden. Das war in den letzten Jahren leider Gottes Brauch. Ich wäre dankbar, wenn das Parlament der Bestimmung zustimmen könnte, dass Schlepper, die Minderjährige ausnutzen und sie allen möglichen Gefahren aussetzen, um sie hierherzubringen, künftig unter ein schärferes Strafmaß gestellt werden.
Meine Damen und Herren,
innerhalb der Regierung gab es eine gewisse Diskussion über die Frage: Wer vollzieht das Gesetz?
Es ist ja normalerweise das Auswärtige Amt dafür zuständig. Es geht ja um eine Visaerteilung. Wir haben uns auf eine gute Kooperation geeinigt: Alle Aspekte, die auslandsbezogen sind, wird das Auswärtige Amt mit seinen Auslandsvertretungen erledigen, und alle Aspekte, die inlandsbezogen sind, werden die Ausländerbehörden in der Bundesrepublik Deutschland erledigen.
Ich habe mich bereit erklärt, dass das Bundesverwaltungsamt - eine sehr qualifizierte Dienstleistungsbehörde, übrigens für alle Bundesministerien - für die Regierung und damit auch für das Auswärtige Amt verwaltungsintern, aber verbindlich die 1 000 nachzugsberechtigten Personen nach den Kriterien auswählt, die im Gesetz aufgeführt sind. Deshalb ist das im Bundesverwaltungsamt gut angesiedelt.
Meine Damen und Herren,
die Bundesrepublik Deutschland war und ist nach wie vor Zielland einer hohen Zahl von Asylsuchenden. Das stellt unsere Integrationssysteme bis auf Weiteres vor erhebliche Herausforderungen. Deshalb müssen wir immer wieder darauf achten, dass die Zahl der Zuwanderungen im Einklang mit der Aufnahme- und der Integrationsfähigkeit unseres Landes steht. Ich denke, die Regelung des Familiennachzuges bei subsidiär Schutzberechtigten ist ein verantwortungsvoller Kompromiss zwischen dieser Aufnahmefähigkeit der Bundesrepublik Deutschland einerseits und unseren humanitären Verpflichtungen andererseits, aber auch den Interessen der Schutzberechtigten.
Deshalb kann ich Ihnen nur empfehlen, diesen Gesetzentwurf nach der Beratung in den Fachausschüssen anzunehmen.
Ich möchte die Gelegenheit hier noch nutzen, ein wirklich dringendes Problem, das auch im Zusammenhang mit der Migrationsfrage steht, anzusprechen. Wir haben beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Vielzahl von befristeten Arbeitsverträgen. Eine erhebliche Zahl dieser befristeten Arbeitsverträge ist wegen des Verbotes der Kettenarbeitsverträge nicht mehr zu verlängern.
Deshalb bitte ich das Parlament und insbesondere natürlich auch unseren Bundesfinanzminister um Unterstützung - wir sind ja in der Schlussberatung des Haushalts im Haushaltsausschuss -, dass wir diese Befristung aufheben; denn es wäre nicht ganz einfach zu erklären, wenn wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eingearbeitet sind und ihr Metier beherrschen, jetzt entlassen und nicht Angelernte einstellen müssten.
Das würde nicht nur in diesem Amt, sondern auch in der Öffentlichkeit niemand verstehen.
Deshalb bitte ich Sie alle in Ihren unterschiedlichen Funktionen, Ihren Beitrag dafür zu liefern, dass wir die Entfristung dieser Stellen durchführen können. Der Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat mir schon angedeutet, dass er dem positiv gegenübersteht.
Vielen Dank.