Zwei Jahre russischer Angriffskrieg: 1,14 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland
Pressemitteilung 23.02.2024
Überblick über die Sicherheitslage in Deutschland, das Fluchtgeschehen, Hilfeleistungen und polizeiliche Unterstützung
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Seit zwei Jahren sterben durch Putins mörderischen Krieg jeden Tag Menschen in der Ukraine. Das Leid ist unermesslich. Für uns war von Beginn an klar: Wir stehen an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer. Das ist ein Gebot der Menschlichkeit. 1,4 Millionen Menschen haben wir vor diesem entsetzlichen Krieg geschützt. 1,14 Millionen sind weiter in Deutschland, darunter besonders viele Frauen und Kinder. Sie unterzubringen, die Kinder und Jugendlichen in Schulen und Kitas zu integrieren – all das bleibt ein riesiger Kraftakt. Dafür bin ich allen staatlichen Stellen und den unzähligen Helferinnen und Helfern sehr dankbar. Wir können sehr stolz sein auf diese große humanitäre Leistung.
Wer vor der russischen Invasion fliehen musste, wird bei uns auch weiter in Sicherheit sein – so lange wie dieser furchtbare Krieg andauert.
Wir helfen weiterhin dort, wo Hilfe dringend gebraucht wird. Wir unterstützen die ukrainische Feuerwehr, den Rettungsdienst und den Katastrophenschutz. Die 500 Hilfstransporte sind der größte Logistikeinsatz in der Geschichte des THW. Den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern danke ich von Herzen! Genauso danke ich der Bundespolizei und dem BKA für ihre umfassende Unterstützung der Ukraine, auch und gerade zur Aufklärung der furchtbaren Kriegsverbrechen."
Für die Bundesregierung nimmt das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) die Aufgabe als zentraler Koordinator für die innenpolitischen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wahr und bildet damit das Bindeglied zwischen den Ressorts und zu den Bundesländern. Schwerpunkte sind die Innere Sicherheit, die Aufnahme und Integration von Geflüchteten und die Koordination von Hilfeleistungen an die Ukraine.
1. Sicherheitslage in Deutschland
Die Sicherheitslage in Deutschland ist aufgrund des Krieges vor allem im Bereich der staatlichen Einflussnahme und Desinformation durch Russland, im Bereich der Cybersicherheit sowie im Bereich der kritischen Infrastrukturen betroffen.
Staatliche Einflussnahme und Desinformation
Russische offizielle Stellen, staatliche und staatsnahe Medien sowie pro-Kreml-Accounts in sozialen Netzwerken verbreiten in hohem Maße Desinformation, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und gesellschaftliche Spaltungen zu provozieren. Dabei wird weiter die bekannte russische Desinformation verbreitet (Verunglimpfung der Ukraine, Darstellung des Westens als Kriegstreiber etc.). Zu beobachten sind Manipulations- und Einflusskampagnen, bei denen z.B. über Fake Accounts in sozialen Netzwerken und gefälschte Webseiten gezielt falsche oder irreführende Informationen verbreitet werden. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurde unter Federführung des BMI eine spezielle Task Force eingerichtet. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen Maßnahmen zur Identifizierung russischer Desinformation und zum Schutz gegen diese hybriden Bedrohungen.
Cybersicherheit
Für Deutschland besteht aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eine erhöhte Bedrohung durch Cyberangriffe. Zudem sind auch Spill-Over-Effekte und Kollateralschäden mit Auswirkungen auf Deutschland möglich und bereits eingetreten. Hinweise zur Umsetzung von Cybersicherheitsmaßnahmen stellt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bereit.
Protestgeschehen und Radikalisierung
Das Protestgeschehen im Kontext des russischen Angriffskrieges und den damit einhergehenden Auswirkungen auf Deutschland ist im zweiten Kriegsjahr deutlich zurückgegangen. Während 2022 insgesamt teilweise noch zehntausende Personen an so bezeichneten "Montagsdemonstrationen" und anderen Versammlungen teilnahmen, beteiligt sich heute nur noch eine zahlenmäßig geringe Kernklientel an solchen Protestveranstaltungen. Gleichwohl sind rechtsextremistische Akteure wie etwa die "Freien Sachsen" weiterhin sichtbar am Versammlungsgeschehen beteiligt. Zudem verbreiten Akteure der Neuen Rechten wie z.B. das rechtsextremistische "COMPACT"-Magazin fortgesetzt einseitige pro-russische und Anti-NATO-Narrative sowie russische Propaganda. Auch das Spektrum der Personen, die den Staat delegitimieren wollen, zeigt sich weiterhin empfänglich für russische Narrative und verbreitet diese in sozialen Netzwerken.
Kriminalität
Die Sicherheit der geflüchteten Frauen und Kinder hat weiterhin höchste Priorität. Die Bundesregierung setzt sich – gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen und der Zivilgesellschaft – seit Beginn des Krieges intensiv dafür ein, Ausbeutung und Menschenhandel, insbesondere von Kindern und Frauen, entgegenzutreten.
Kritische Infrastrukturen
Spätestens der Angriff auf die Nord Stream-Pipelines hat die Vulnerabilität kritischer Infrastrukturen deutlich gemacht. Unter Leitung des BMI wurde der neue Gemeinsame Koordinierungsstab Kritische Infrastruktur (GEKKIS) aufgebaut. Ihm gehören alle Fachressorts des Bundes sowie das Bundeskanzleramt an. Das Bundeskabinett hat am 7. Dezember 2022 die Eckpunkte für das KRITIS-Dachgesetz beschlossen. Der Gesetzentwurf wird derzeit abgestimmt.
2. Fluchtgeschehen wegen des russischen Angriffskriegs
In Deutschland leben aktuell im Frühjahr 2024 rund 1.140.000 Menschen, die seit dem 24. Februar 2022 wegen des russischen Angriffskriegs aus der Ukraine geflüchtet sind. Davon sind laut Ausländerzentralregister 7% Kinder bis 5 Jahre, 23 % Kinder und Jugendliche von 6 bis 17 Jahren, 61 % Erwachsene bis 63 Jahre und 9 % Erwachsene über 64 Jahre. 60 % der Geflüchteten sind weiblich, 40 % männlich.
Insgesamt hat Deutschland seit Februar 2022 mehr als 1.400.000 Millionen Menschen – vor allem Frauen und Kindern - aus der Ukraine Schutz geboten.
Die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten bleibt ein gemeinsamer Kraftakt, den Bund, Länder und Kommunen gemeinsam erbringen. Alle Ebenen handeln dabei eng abgestimmt und stehen Seite an Seite.
- Aktuell sind den Ländern, Landkreisen und Kommunen insgesamt 333 Liegenschaften mit einer Kapazität von fast 67.000 Unterbringungsplätzen mietfrei überlassen.
- Geflüchtete aus der Ukraine können Leistungen der Grundsicherung erhalten. Damit übernimmt der Bund diese Kosten weit überwiegend. Gleichzeitig wird den Geflüchteten aus der Ukraine so eine zügige Integration in den Arbeitsmarkt ermöglicht.
- Mit dem digitalen Migrations-Dashboard ermöglicht der Bund den Ländern und Kommunen eine verlässliche Lageeinschätzung und eine vorausschauende Planung bei der Unterbringung.
- Darüber hinaus hat der Bund die Länder und Kommunen im Wege der Amtshilfe unterstützt – zum Beispiel mit THW, Bundeswehr und Bundespolizei.
Aufenthalt und Integration
- Knapp 400.000 Ukrainerinnen und Ukrainer haben seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einen Integrationskurs begonnen.
- Über Germany4Ukraine.de finden Geflüchtete aus der Ukraine Informationen zu Einreise, Registrierung und Aufenthalt. Die dazugehörige App verzeichnete bisher 81.682 Downloads.
- #Unterkunft-Ukraine hat seit Beginn über 58.000 Geflüchteten eine private Unterkunft vermittelt.
3. Hilfeleistungen Deutschlands
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) koordiniert alle über das EU-Katastrophenschutzverfahren eingehenden Hilfe-ersuchen. THW und BBK wickeln Hilfsgütertransporte ab. Insgesamt hat Deutschland bereits 500 Hilfstransporte (428 direkt für die Ukraine) durchgeführt. Der Warenwert der bislang angebotenen Hilfsleistungen für die Ukraine beträgt ca. 255,9 Mio. Euro (inkl. Großspenden, überwiegend medizinisches Material, Medikamente, Kraftfahrzeuge und Transporter, CBRN-Gegenmaßnahmen und Unterstützung des Energiesektors).
Der THW-Einsatz während des russischen Angriffskriegs gegen die gesamte Ukraine ist der bisher größte Logistikeinsatz in der Geschichte des THW. Das THW hat seit 2022 in enger Zusammenarbeit mit dem Beschaffungsamt des BMI rund 122 Mio. Euro in Beschaffungen von Hilfsgütern für die Ukraine umgesetzt und einen Großteil der Hilfsgüter bereits in die Ukraine gebracht. Mit den Hilfsgütern werden insbesondere die frontnahen Gebiete sowie der ukrainische Zivil- und Katastrophenschutz, der in der Ukraine auch den Bereich Feuerwehr und Rettungswesen umfasst, unterstützt. Das THW hat unter anderem folgende Hilfsgüter beschafft:
- Mehr als 280 Fahrzeuge, wie große Kipper, Feuerwehrfahrzeuge und Spezialfahrzeuge (Hubarbeitsbühnen, Saug-/Spülfahrzeuge oder Tankwagen).
- Knapp 100 Baumaschinen, wie Kettenbagger, Raupen, Baggerlader, Teleskopradlader sowie Abriss-Bagger.
- Energie: 1300 Stromerzeuger im Bereich 15-1250 kVA, 400 Stromerzeuger im Bereich 5-10 kVA sowie 20 Batteriespeicher.
- Wärme: Mehr als 1100 Heizgeräte, wie Ölheizgeräte oder Warmlufterzeuger.
- Unterkunft: rund 30 Wohncontainer, 8 Dusch- und Sanitärcontainer, 180 Zelte, 8 Feldküchen sowie Schlafsäcke, Isomatten und Decken.
- CBRN-Schutz: 1600 Schutzanzüge, 8000 Einmalschutzanzüge, 4500 Masken, 24.000 Filter für die Masken sowie weiteres Schutzmaterial, wie Handschuhe und Gummistiefel.
- Wasserversorgung: Hochwertige Laborausstattung, 12 Tiefbrunnenpumpen, drei Trinkwasseraufbereitungsanlagen.
Aufnahme von Patienten zur medizinischen Behandlung
Bereits seit März 2022 nehmen deutsche Krankenhäuser kranke und verletzte Ukrainer zur medizinischen Behandlung auf. Ferner führen die großen Hilfsorganisationen (Johanniter-Unfall-Hilfe, Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund, Malteser Hilfsdienst und Deutsche-Lebensrettungs-Gesellschaft) in Abstimmung mit dem BMI bei Bedarf Krankenrücktransporte durch und leisten soziale Betreuung während des Aufenthalts der Patienten in Deutschland. Im Rahmen dieses Verfahrens hat Deutschland bisher 998 Patientinnen und Patienten aus der Ukraine übernommen (Militärangehörige und Zivilisten) und gleichzeitig 115 begleitete Krankenrücktransporte durchgeführt.
4. Polizeiliche und kriminaltechnische Unterstützung zur Aufklärung von Kriegsverbrechen
Seitens des Bundeskriminalamtes (BKA) sind bisher Güter und Leistungen im Wert von über 20,5 Mio. € (davon 13 Mio. € aus Mitteln des Auswärtigen Amtes) für die ukrainischen Partnerbehörden erbracht bzw. an diese übergeben worden. Neben der Bereitstellung von Entschärferausrüstung, Fahrzeugen und andere Führungs- und Einsatzmitteln unterstützte das BKA insbesondere bei der forensischen Arbeit im Bereich der Spurensicherung, Dokumentation und Entschärfung.
Die Bundespolizei unterstützt seit Beginn des Angriffskrieges den staatlichen Grenzschutz der Ukraine durch umfangreiche Ausstattungshilfen in einem Gesamtvolumen von bisher ca. 39,34 Mio. Euro. Für das Jahr 2024 sind weitere Unterstützungsleistungen von Bundeskriminalamt und Bundespolizei geplant.