Ein Jahr russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine: Zeitenwende auch für die innere Sicherheit

Typ: Pressemitteilung , Datum: 23.02.2023

Überblick über die Sicherheitslage in Deutschland, das Fluchtgeschehen, Hilfsleistungen und polizeiliche Unterstützung

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Putins verbrecherischer Angriffskrieg gegen die Ukraine hat alles verändert. Für uns war von Beginn an klar: Wir stehen an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer. Wir helfen da, wo Hilfe gebraucht wird. Das ist ein Gebot der Menschlichkeit. Wir haben fast 400 Hilfstransporte in die Ukraine gebracht. Das ist der bislang größte Logistikeinsatz in der Geschichte des THW. Den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern danke ich von Herzen! Genauso danke ich der Bundespolizei und dem BKA für ihre umfassende Unterstützung der Ukraine mit polizeilicher und kriminaltechnischer Ausstattung, auch zur Aufklärung von Kriegsverbrechen. 

Wir unterstützen die ukrainische Feuerwehr, den Rettungsdienst und den Katastrophenschutz. Wir haben in diesem Winter fast 400 Generatoren und weitere Technik geliefert – und damit der Ukraine geholfen, den massiven Angriffen auf die Energieinfrastruktur standzuhalten. 

Der russische Angriffskrieg hat in Europa die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Vor allem Frauen und Kinder haben bei uns in Deutschland Schutz vor Putins Angriffen gefunden. Über eine Million Menschen in so kurzer Zeit aufzunehmen, ist ein großer humanitärer Kraftakt –  unsere Städte und Gemeinden stellt das vor große Herausforderungen. Zugleich gibt es auch weiter eine herausragende Hilfsbereitschaft in unserer Gesellschaft. Wir werden diese große Kraftanstrengung auch weiter gemeinsam bewältigen." 

Für die Bundesregierung nimmt das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) die Aufgabe als zentraler Koordinator für die innenpolitischen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wahr und bildet damit das Bindeglied zwischen den Ressorts und zu den Bundesländern. Schwerpunkte sind die innere Sicherheit, die Aufnahme und Integration von Geflüchteten und die Koordination von Hilfeleistungen an die Ukraine.

1. Sicherheitslage in Deutschland

 Die Sicherheitslage in Deutschland ist aufgrund des Kriegs vor allem im Bereich der staatlichen Einflussnahme und Desinformation durch Russland, im Bereich der Cybersicherheit sowie im Bereich der kritischen Infrastrukturen betroffen. 

Staatliche Einflussnahme und Desinformation

Russische offizielle Stellen, staatliche und staatsnahe Medien sowie pro-Kreml-Accounts in sozialen Netzwerken verbreiten in hohem Maße Desinformation, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und gesellschaftliche Spaltungen zu provozieren. Dabei werden weiter die bekannten russischen Narrative bedient (Verunglimpfung der Ukraine, Darstellung des Westens als Kriegstreiber etc.). Die russische Rhetorik ist zunehmend aggressiver geworden. 

Kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurde unter Federführung des BMI innerhalb der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe Hybride Bedrohungen eine spezielle Task Force eingerichtet. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen Maßnahmen zur Identifizierung russischer Narrative, Stärkung der faktenbasierten Kommunikation und Erhöhung der gesellschaftlichen Resilienz gegen hybride Bedrohungen. 

Cybersicherheit

Für Deutschland besteht aufgrund des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine erhöhte Bedrohung durch Cyberangriffe. Zudem sind auch Spill-Over-Effekte und Kollateralschäden mit Auswirkungen auf Deutschland möglich und bereits eingetreten. Hinweise zur Umsetzung von Cybersicherheitsmaßnahmen stellt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bereit. 

Protestgeschehen und Radikalisierung

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges kommt es zu einem regelmäßigen Protestgeschehen, das neben dem Krieg auch damit verbundene Themenbereiche (Energiekrise, Preissteigerungen etc.) adressiert. Rechtsextremisten gelingt es immer wieder, Versammlungen, die von einem heterogenen Spektrum besucht werden, sichtbar zu beeinflussen. Aktuell ist mit der angekündigten Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine (wieder) zu einem dominierenden Thema im rechtsextremistischen und dem Delegitimierungsspektrum geworden. In der linksextremistischen Szene hat seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs der Antimilitarismus stark an Bedeutung gewonnen. Insbesondere Rüstungsunternehmen, die Bundeswehr sowie politische Parteien rücken seitdem verstärkt in den Fokus gewaltorientierter Linksextremisten.

Kriminalität

Die Sicherheit der geflüchteten Frauen und Kinder hat höchste Priorität. Die Bundesregierung setzt sich – gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen und der Zivilgesellschaft – seit Beginn des Krieges intensiv dafür ein, Ausbeutung und Menschenhandel, insbesondere von Kindern und Frauen, entgegenzutreten. 

Kritische Infrastrukturen

Spätestens der Angriff auf die Nord Stream-Pipelines hat die Vulnerabilität kritischer Infrastrukturen deutlich gemacht. Unter Leitung des BMI wurde auf Bundesebene ein neuer Koordinierungsstab einberufen – der Gemeinsame Koordinierungsstab Kritische Infrastruktur. Ihm gehören alle Fachressorts des Bundes sowie das Bundeskanzleramt an. Das Bundeskabinett hat am 7. Dezember 2022 die Eckpunkte für das KRITIS-Dachgesetz beschlossen. Mit dem KRITIS-Dachgesetz wird zum ersten Mal das Gesamtsystem zum physischen Schutz von kritischen Infrastrukturen in Deutschland in den Blick genommen und im Rahmen der dem Bund zustehenden Zuständigkeiten gesetzlich geregelt. 

2. Fluchtgeschehen wegen des russischen Angriffskriegs 

In Deutschland leben rund 1.066.000 Menschen, die seit dem 24. Februar 2022 wegen des russischen Angriffskriegs aus der Ukraine geflüchtet sind. Davon sind laut Ausländerzentralregister 9 % Kinder bis 5 Jahre, 25 % Kinder und Jugendliche von 6 bis 17 Jahren, 58 % Erwachsene bis 63 Jahre und 8 % Erwachsene über 64 Jahre. 62 % der Geflüchteten sind weiblich, 38 % männlich. 

Die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten ist ein gemeinsamer Kraftakt, der Bund, Länder und Kommunen vor große Herausforderungen stellt. Alle Ebenen handeln dabei eng abgestimmt und stehen Seite an Seite.

  • Bund und Länder haben sich darauf verständigt, dass der Bund im Jahr 2022 die Länder und Kommunen finanziell mit 4,4 Milliarden Euro unterstützt. Für dieses Jahr wurden weitere 2,75 Milliarden Euro an Unterstützungsleistungen vereinbart.
  • Zusätzlich unterstützt der Bund die Länder und Kommunen seit Kriegsbeginn bei der Unterbringung von Schutzsuchenden durch die mietfreie Überlassung von Bundesliegenschaften. Aktuell sind den Ländern, Landkreisen und Kommunen insgesamt 333 Liegenschaften mit einer Kapazität von fast 69.000 Unterbringungsplätzen mietfrei überlassen.
  • Geflüchtete aus der Ukraine können Leistungen der Grundsicherung Damit übernimmt der Bund diese Kosten weit überwiegend. Gleichzeitig wird den Geflüchteten aus der Ukraine so eine zügige Integration in den Arbeitsmarkt ermöglicht.
  • Mit dem Migrations-Dashboard ermöglicht der Bund den Ländern und Kommunen eine verlässliche Lageeinschätzung und eine vorausschauende Planung bei der Unterbringung von Geflüchteten.
  • Darüber hinaus hat der Bund die Länder und Kommunen im Wege der Amtshilfe unterstützt – zum Beispiel mit THW, Bundeswehr und Bundespolizei. 

Aufenthalt und Integration

  • Im Jahr 2022 hat sich die Zahl der neuen Kursteilnehmenden an Integrationskursen rapide erhöht, von rund 100.000 jeweils in den Jahren 2020 und 2021 auf knapp 340.000 Integrationskursteilnehmende im Jahr 2022.
  • Über Germany4Ukraine.de finden Geflüchtete aus der Ukraine Informationen zu Einreise, Registrierung und Aufenthalt. Die dazugehörige App verzeichnete bisher 68.691 Downloads.
  • #Unterkunft-Ukraine hat seit Beginn über 58.000 Geflüchteten eine private Unterkunft vermittelt.

3. Hilfeleistungen Deutschlands 

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) koordiniert alle über das EU-Katastrophenschutzverfahren eingehenden Hilfeersuchen. THW und BBK wickeln Hilfsgütertransporte ab. Insgesamt hat Deutschland bereits 397 Hilfstransporte (386 für die Ukraine, die übrigen in Nachbarstaaten) durchgeführt. Der Warenwert der bislang angebotenen Hilfsleistungen beträgt ca. 172 Mio. Euro (inkl. Großspenden, überwiegend medizinisches Material, Medikamente, Kraftfahrzeuge und Transporter, CBRN-Gegenmaßnahmen und Unterstützung des Energiesektors). 

Der THW-Einsatz während des russischen Angriffskriegs gegen die gesamte Ukraine ist der bisher größte Logistikeinsatz in der Geschichte des THW. Das THW hat im Jahr 2022 über 79 Mio. Euro in Beschaffungen von Hilfsgütern für die Ukraine umgesetzt. Für das Jahr 2023 stehen dem THW weitere 20 Mio. Euro an Sondermitteln zur Verfügung, die bereits verplant wurden. Zur Unterstützung der Ukraine im Bereich des Energiesektors und der Winterhilfe hat das THW bisher:

  • 399 Stromgeneratoren und 10 Batteriespeicher im Gesamtwert von 14,7 Mio. Euro geliefert. 39 Generatoren befinden sich in der Transportvorbereitung und weitere 267 Generatoren und 10 Batteriespeichern in der Beschaffung.
  • 43 Ölheizgeräte wurden der Ukraine bereits übergeben. 100 weitere Geräte befinden sich in der Beschaffung. 7 Feldküchen, 2 Großzelte inklusive Heizung und 1 Multifunktionshalle wurden in die Ukraine gebracht.
  • Weitere Unterstützung erfolgt in Form von Wohn- und Sanitärcontainern, Feldbetten, Mannschaftszelten, Decken und Schlafsäcken.

Das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern beim BBK koordiniert die Patientenübernahmen aus der Ukraine. Insgesamt sind bisher 647 Patienten in Deutschland zur Behandlung eingetroffen

4. Polizeiliche und kriminaltechnische Unterstützung

Das BKA hat im Jahr 2022 Güter zur Unterstützung der forensischen Arbeit zur Aufklärung von möglichen Kriegsverbrechen, insbesondere zur Spurensicherung, Dokumentation, Entschärferausrüstung, Fahrzeuge und andere Einsatzmittel im Wert von über 11,5 Mio. Euro für die ukrainischen Partnerbehörden beschafft. 

Die Bundespolizei unterstützte seit Beginn des Angriffskrieges die Sicherheitsbehörden der Ukraine. In 2022 wurden Unterstützungsleistungen im Wert von über 20 Mio. Euro übergeben. Dazu zählten u.a. Wärmebild- und Nachtsichtgeräte, Schutzwesten und sondergeschützte Fahrzeuge. 

Für das Jahr 2023 sind weitere Unterstützungsleistungen vom Bundeskriminalamt und der Bundespolizei geplant.

Der Platz vor dem Dienstgebäude am Moabiter Werder

Bundesministerium des Innern und für Heimat
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