10 Jahre Beratungsstelle "Radikalisierung"

Typ: Pressemitteilung , Datum: 07.11.2022

Von der Beratungshotline zum Kompetenzzentrum für Islamismusprävention.

Mit mehr als 5.000 Beratungsanfragen stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die zentrale Erstanlaufstelle für ratsuchende Angehörige und das Umfeld islamistisch radikalisierter Personen dar. Durch sich stetig wandelnden Unterstützungsbedarf ist das Beratungsnetzwerk kontinuierlich gewachsenen und hat zahlreiche neue Präventionsangebote geschaffen. 

Bundesinnenministerin Nancy Faeser:
"Wir nehmen die Gefahr des islamistischen Terrorismus sehr ernst und bekämpfen sie entschlossen. Entscheidend dafür ist neben der klassischen Arbeit von Polizei und Nachrichtendiensten auch die Präventions- und Deradikalisierungsarbeit. Nur wenn wir es schaffen, radikalisierte Menschen, die sich ändern wollen, zurück auf den Weg in unsere offene, demokratische Gesellschaft zu bringen, können wir Terror und Hass erfolgreich und nachhaltig bekämpfen. Die Arbeit, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beratungsstelle „Radikalisierung“ im BAMF in den vergangenen zehn Jahren geleistet wurde, ist wegweisend. Was als Beratungshotline begann, ist zu einem Kompetenzzentrum des Bundes im präventiven Umgang mit islamistischer Radikalisierung herangewachsen. Die Beratungsstelle ist heute die zentrale Schnittstelle zwischen staatlicher und zivilgesellschaftlicher Deradikalisierungsarbeit, Prävention sowie sicherheitsbehördlicher Gefahrenabwehr."


BAMF-Präsident Dr. Hans-Eckhard Sommer:
"Das System aus bundesweiter Erstanlaufstelle im Bundesamt und weitergehender Betreuung vor Ort hat sich bewährt. Behördliche und zivilgesellschaftliche Expertinnen und Experten leisten in der Beratung von Angehörigen und dem Umfeld islamistisch radikalisierter Personen einen elementaren Beitrag zum Ausstieg aus dem Extremismus. Hierfür sind belastbare Strukturen und Netzwerke, wie sie in den letzten zehn Jahren geschaffen wurden, Grundvoraussetzung."

Was ist zu tun, wenn das eigene Kind in Internet oder den sozialen Medien Propagandavideos des sogenannten "IS" schaut, Jugendliche plötzlich nur noch die eigene strenge Auslegung des Islam akzeptieren und ihr Umfeld missionieren, oder Mädchen damit beginnen, vom Dschihad zu schwärmen? Mit solchen und ähnlichen Fragen wenden sich zumeist besorgte Familienangehörige, inzwischen aber auch vermehrt Lehrerinnen und Lehrer, Arbeitgeber oder Betreuerinnen und Betreuer an die Beratungsstelle "Radikalisierung" des Bundesamts. Zumeist befürchten sie dann eine islamistische Radikalisierung einer Person in ihrem Umfeld oder haben Fragen zu diesem Themenfeld.
Seit ihrer Inbetriebnahme im Januar 2012 gingen mehr als 5.000 solcher Anrufe (Stand Oktober 2022) bei der kostenfreien und vertraulichen Beratungshotline ein. In einem ersten Beratungsgespräch helfen speziell ausgebildete Beraterinnen und Berater den Ratsuchenden, die für sie oftmals belastende Situation einzuordnen und bieten erste, grundlegende Hilfestellungen. 1.200 Fälle wurden nach diesen Erstgesprächen an das bundesweite, vom Bundesamt koordinierte Netzwerk staatlicher und zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen zur weiteren Betreuung vor Ort übergeben. Bei Bedarf findet so eine weitergehende, individuelle Unterstützung in der Nähe des Wohnorts der ratsuchenden Person statt.
Waren zu Beginn ihrer Tätigkeit im Jahr 2012 zwei bundesweit agierende zivilgesellschaftliche Träger als Partner vor Ort in das Beratungsnetzwerk des Bundesamts eingebunden, arbeitet die Beratungsstelle "Radikalisierung" mittlerweile mit 16 Beratungsstellen sowie weiteren Deradikalisierungs- und Ausstiegsprogrammen mehrerer Bundesländer eng zusammen. 

Weiterentwicklung der Präventionsarbeit im Spiegel aktueller Herausforderungen

Um dem Phänomenbereich der islamistischen Radikalisierung in seiner Dynamik und Komplexität gerecht zu werden, braucht es vielfältige Maßnahmen im Bereich der Repression und Prävention. Die Förderung von Modellprojekten ermöglicht es der Beratungsstelle "Radikalisierung", hier gezielt neue Trends und Entwicklungen aufzugreifen. So etwa im Umgang mit deutschen Staatsangehörigen, die nach einer islamistisch motivierten Ausreise ins Krisengebiet in Syrien und Irak wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind. Seit 2019 finanziert die Beratungsstelle "Radikalisierung" sogenannte "Rückkehrkoordinierende", um die Reintegration und Deradikalisierung dieser Personengruppe zu unterstützen. Neben ideologischen Aspekten spielen Faktoren wie sogenannte psychische Auffälligkeiten, die im Zusammenhang mit Radikalisierungsverläufen auftreten können, zunehmend eine Rolle, was ebenfalls Gegenstand aktueller Projektförderungen der Beratungsstelle ist.

Wissenschaftliche Begleitung und internationale Vernetzung

Impulse zur Weiterentwicklung der Beratung des sozialen Umfelds (mutmaßlich) radikalisierter Personen liefert zudem das Forschungszentrum des BAMF, das die Arbeit der Beratungsstelle "Radikalisierung" wissenschaftlich begleitet. Neben praxisorientierten, empirischen Forschungsprojekten, Evaluationen und Maßnahmen zur qualitätssichernden Standardisierung der individuellen Beratung, gehört hierzu auch die Entwicklung und Implementierung eines Qualifizierungslehrgangs für Beratende, der 2023 bereits zum zweiten Mal angeboten wird. Um praktisch bewährte Präventionsmaßnahmen weiter zu stärken, steht die Beratungsstelle "Radikalisierung" zudem im strukturierten Austausch mit nationalen, europäischen und internationalen Partnern.

Der Platz vor dem Dienstgebäude am Moabiter Werder

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