Besserer Schutz für queere Geflüchtete
Pressemitteilung 30.09.2022
Künftig ist bei der Einschätzung der Gefährdung im Herkunftsstaat immer davon auszugehen, dass Schutzsuchende ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität offen leben.
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Asylverfahren von queeren Verfolgten überprüfen lassen. Die geänderte Dienstanweisung tritt zum 1. Oktober 2022 in Kraft.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Wir wollen queere Geflüchtete besser schützen. Niemand darf sich gezwungen fühlen, ein gefährliches Doppelleben zu führen. Niemand darf sich unter Druck gesetzt sehen, die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität zu verbergen, um Strafen und Repressionen zu entgehen. Deshalb habe ich die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge prüfen und überarbeiten lassen. Künftig ist im Asylverfahren bei der Prüfung der Gefährdung von queeren Geflüchteten in ihren Herkunftsstaaten immer davon auszugehen, dass die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität offen gelebt wird. Außerdem stellen wir durch Schulungen sicher, dass die Entscheiderinnen und Entscheider im Asylverfahren gut ausgebildet und sensibilisiert sind für die Schicksale von queeren Schutzsuchenden."
Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragter): "Die Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität ist ein anerkannter Asylgrund. LSBTIQ*-Geflüchtete haben ein Anrecht auf ein faires Asylverfahren. Ich freue mich daher sehr über die neue Dienstanweisung an das BAMF. Diese stellt endlich unmissverständlich klar, dass ein offenes und geoutetes Leben der Maßstab ist, um die Gefahr der Verfolgung im Herkunftsland zu beurteilen. Es gibt keine zweifelhaften Verhaltensprognosen und keine Prognosen über ein vermeintlich „freiwillig“ diskretes Leben mehr. Die neue Dienstanweisung muss durch die Entscheider*innen nun unverzüglich in die Praxis umgesetzt werden."
Im Rahmen der Bewertung, ob einer Person bei Rückkehr in das Herkunftsland die Gefahr einer Verfolgung droht, findet im Asylverfahren grundsätzlich eine zweistufige Prüfung statt. Auf der ersten Stufe wird prognostiziert, wie sich die Person bei Rückkehr verhält (Verhaltensprognose), auf der zweiten Stufe, wie die staatlichen oder nichtstaatlichen Akteure auf dieses Verhalten reagieren.
Diese zweistufige Prüfung wird in der überabeiteten Dienstanweisung für LSBTIQ*-Schutzsuchende angepasst. Es ist keine Verhaltensprognose mehr vorgesehen. Bei der Gefahrenprognose bei Rückkehr ist immer davon auszugehen, dass die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität offen gelebt wird. Die Dienstanweisung stellt ausdrücklich klar, dass LSBTIQ*-Schutzsuchende in keinem Fall auf ein diskretes Leben im Herkunftsland verwiesen werden dürfen. Dies gilt auch dann, wenn die Antragstellenden von sich aus vortragen, dass sie ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität verbergen.
Das BAMF schult und sensibilisiert die Entscheiderinnen und Entscheider auch unter Einbindung von Nichtregierungsorganisationen fortlaufend. Darüber hinaus werden bei geschlechtsspezifischer Verfolgung besonders geschulte Entscheiderinnen und Entscheider beteiligt.