"Eine neue und lebendige Erinnerungskultur"

Typ: Meldung , Schwerpunktthema: Sicherheit , Datum: 05.09.2022

Bei der Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag des Münchner Olympia-Attentats von 1972 fordert die Bundesinnenministerin mehr Empathie und Unterstützung für die Opfer von Anschlägen.

Von tiefen Wunden und quälenden Fragen sprach Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Olympia-Attentats von München im bayerischen Fürstenfeldbruck. "Es ist beschämend, dass Aufklärung, Aufarbeitung, Transparenz und Übernahme von Verantwortung nicht längst erfolgt sind," so die Ministerin vor Angehörigen der Opfer, die zum 50-jährigen Gedenken nach München gereist waren.

Umfassende Aufarbeitung durch eine deutsch-israelische Historikerkommission

Die Bundesregierung unterstütze die Familien der Opfer, die bis heute unter dem Geschehenen leiden. "Endlich erfolgt eine umfassende Aufarbeitung durch eine deutsch-israelische Historikerkommission. Das ist die Grundlage für eine neue und lebendige Erinnerungskultur," erklärte Faeser. "Für dieses und für andere Attentate gilt: Wir müssen uns Menschen, deren Leben durch Anschläge dramatisch verändert wurde, mit mehr Empathie und Unterstützung zuwenden."

Als Innenministerin wolle sie auch daran erinnern, dass die gescheiterte Befreiungsaktion zum traurigen Anlass für die Gründung der Spezialeinheit GSG 9 wurde. Dass diese inzwischen ein über Jahrzehnte aufgebautes, sehr enges Verhältnis zur israelischen Spezialeinheit JAMAM habe, sei ein Geschenk nach den schrecklichen Ereignissen.

Gemeinsames deutsch-israelisches Gedenken

Bei der zentralen Gedenkveranstaltung auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck erinnerten Vertreterinnen und Vertreter Deutschlands und Israels gemeinsam mit Angehörigen der Opfer an den Anschlag. Neben dem israelischen Präsidenten Izchak Herzog nahmen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Hinterbliebene der Opfer an der Veranstaltung teil.

Bundesinnenministerin Faeser mit dem israelischen Präsident Izchak Herzog bei der zentralen Gedenkveranstaltung für die Opfer des Olympia-Attentats von München Bundesinnenministerin Faeser mit dem israelischen Präsident Izchak Herzog bei der zentralen Gedenkveranstaltung für die Opfer des Olympia-Attentats von München (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Bundesregierung/ Guido Bergmann Bundesinnenministerin Faeser mit dem israelischen Präsident Izchak Herzog bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Olympia-Attentats von München

Am 5. September 1972 war ein palästinensisches Terrorkommando in die Unterkunft des israelischen Teams eingedrungen, hatte zwei Mitglieder vor Ort erschossen und neun weitere als Geiseln genommen. Bei einem gescheiterten Befreiungsversuch auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck wurden alle israelischen Geiseln ermordet, auch ein Münchner Polizist kam ums Leben.

Die Opfer des Münchner Olympia-Attentats 1972

Grafik der Opfer des Olympia-Attentats 1972 in München Grafik der Opfer des Olympia-Attentats 1972 in München (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: BMI

David Berger

David Berger war 28. David begann schon als 13-Jähriger mit dem Gewichtheben. Er entschied sich für eine Sportlerkarriere und wanderte nach Israel aus, um an den Spielen teilnehmen zu können. Er starb in der Nacht zum 6.9.1972 in einem brennenden Hubschrauber.

Anton Fliegerbauer

Anton Fliegerbauer war 32. Er war Polizist in Niederbayern und wurde am 5.9.1972 mit seiner Einheit vom Polizeiobermeister nach Fürstenfeldbruck beordert. Anton starb in dieser Nacht in einem Feuergefecht mit den Terroristen. Anton hinterließ seine Frau und seinen 4-jährigen Sohn.

Ze'ev Friedman

Ze'ev Friedman war 28. Er emigrierte mit seinen Eltern nach Israel und arbeitete dort als Sportlehrer. Die Olympischen Spiele sollten der Höhepunkt seiner Karriere als Gewichtheber werden. Ze'ev starb am 6.9.1972 an seinen Schussverletzungen auf dem Flugfeld in Fürstenfeldbruck.

Yossef Gutfreund

Yossef Gutfreund war 40. Yossef überlebte den Holocaust und emigrierte mit seiner Familie nach Israel. Dort begeisterte er sich für Ringsport und wurde Kampfrichter. Yossef ermöglichte beim Attentat einem Gewichtheber die Flucht. Er selbst wurde erschossen. Yossef war zweifacher Vater.

Elizier Halfin

Elizier Halfin war 24. Schon als Jugendlicher war er erfolgreich im Freistil-Ringen. Er emigrierte 1969 aus der damaligen Sowjetunion nach Israel, lernte Hebräisch und trainierte im nationalen Sportzentrum für sein großes Ziel Olympia. Elizier wurde in der Nacht zum 6.9.1972 erschossen.

Yossef Romano

Yossef Romano war 32. Im Alter von sechs Jahren kam er aus Libyen nach Israel. Bevor er bei den Olympischen Spielen 1972 antrat, war er zehnmal hintereinander israelischer Meister im Mittelgewicht. Am 5.9.1972 wurde Yossef von den Terroristen erschossen. Er war dreifacher Vater.

Kehat Schor

Kehat Schor war 53. Auch er überlebte den Holocaust. In Israel fand der bekannte Sportschütze eine Anstellung als Trainer und übernahm die Nationalmannschaft. Am 6.9.1972 starb Kehat durch eine Schussverletzung.

Amitzur Shapira

Amitzur Shapira war 40. Schon in jungen Jahren war er ein erfolgreicher Leichtathlet. Nach seiner aktiven Karriere arbeitete er als Sportlehrer und Trainer. In München betreute er eine israelische Hürdenläuferin. Amitzur verblutete in der Nacht zum 6.9.1972 in einem Hubschrauber.

Mark Slavin

Mark Slavin war 18. In der Sowjetunion war er Jugendmeister im Ringen. Drei Monate vor den Olympischen Spielen reiste er nach Israel aus. Die Terroristen nahmen ihn als Geisel und erschossen ihn am 6.9.1972 in einem Hubschrauber. Sein erster Wettkampf wäre am Tag zuvor gewesen.

Andrej Spitzer

Andrej Spitzer war 27. Andrej war schon seit der Jugend begeisterter Fechter. In München trainierte er zwei Fechter, die bei der Geiselnahme entkamen. Andrej wurde von den Terroristen in Fürstenfeldbruck erschossen. Zwei Monate zuvor war er Vater einer Tochter geworden.

Yakov Springer

Yakov Springer war 51. Als einziger seiner Familie überlebte er den Holocaust. Er war Sportlehrer und galt in Israel als Pionier im Gewichtheben. Am 6.9.1972 hätte Yakov seinen letzten Einsatztag als Kampfrichter gehabt. Er starb in Fürstenfeldbruck an einer Schussverletzung.

Moshe Weinberg

Moshe Weinberg war 32. Seine Freunde nannten ihn Muni. Er wurde mehrmals israelischer Meister im Ringen. Als Trainer betreute er in München Mark Slavin und Elizier Halfin. Moshe wurde am 5.9.1972 das erste Opfer der Terroristen. Er wurde im olympischen Dorf erschossen.