Bundesinnenminister Seehofer: Bedrohungslage hat während der Pandemie zugenommen

Typ: Meldung , Schwerpunktthema: Sicherheit , Datum: 15.06.2021

Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts betont der Minister: Neben der besonderen Gesundheitslage erleben wir in Deutschland auch eine besondere Sicherheitslage.

Das Jahr 2020 sei nicht nur von der Pandemie überschattet gewesen – auch die Bedrohungen für unsere freiheitliche Gesellschaft hätten zugenommen und seien vielfältiger geworden, so der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer. Dabei gebe es eine klare Dominanz des rechtsextremistischen Spektrums.

Vor Journalistinnen und Journalisten in Berlin stellte Seehofer heute gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020 vor.  

Mehr Reichweite für Rechtsextremisten durch Corona-Proteste

"Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus bleiben die größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland", betonte der Bundesinnenminister gleich zu Beginn der Pressekonferenz. Die Corona-Pandemie habe die Entwicklungen in diesem Phänomenbereich im letzten Jahr geprägt und zu einer Verstärkung beigetragen. Zwar seien zahlreiche rechtsextremistische Großveranstaltungen abgesagt oder verschoben worden, doch hätten Rechtsextremisten über die Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen mehr Reichweite erlangen können. "Rechtsextremisten konnten wiederholt Seite an Seite mit bürgerlichen Demonstrantinnen und Demonstranten protestieren und so wirkmächtige Bilder erzeugen und dem Protestgeschehen leider zu oft ihren Stempel aufdrücken, obwohl sie eigentlich in der Minderheit waren", so Seehofer.

Auch die in weiten Teilen extremistische sogenannte Neue Rechte versuche fortwährend, durch einen intellektuellen Anstrich ihr rechtsextremistisches Gedankengut in den öffentlichen Diskurs einzubringen und die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Daher hat der Verfassungsschutzbericht 2020 dem gefährlichen Phänomen der Neuen Rechten auch erstmals ein eigenes Unterkapitel gewidmet.

Das Personenpotenzial im Rechtsextremismus ist erneut leicht angestiegen und liegt nun bei über 33.000 Personen – über 13.000 davon sind gewaltorientiert. Auch die rechtsextremistischen Straftaten sind erneut um etwa 5 Prozent angestiegen. "Besonders besorgt mich dabei der Anstieg rechtsextremistischer Gewalttaten um etwa 10 Prozent", erklärte der Bundesinnenminister. "Trauriger Tiefpunkt war hier der rassistisch motivierte Anschlag von Hanau."

Die Bundesregierung hat mit einer Vielzahl von Maßnahmen entschlossen auf die besorgniserregenden Entwicklungen im Bereich Rechtsextremismus reagiert. Dabei sei das Handlungsmotiv klar: Es gehe immer darum, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Demokratie zu schützen und die Feinde des Rechtsstaates zu bekämpfen. Es gehe nicht darum, aus der Bundesrepublik Deutschland einen Überwachungsstaat zu machen.

Exemplare des Verfassungsschutzberichts 2020 Quelle: Henning Schacht

"Reichsbürger" und "Selbstverwalter": Beim Waffenrecht nicht einfach zur Tagesordnung übergehen

Auch "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" hätten die Pandemie und die staatlichen Schutzmaßnahmen aktiv genutzt, um ihre Verschwörungserzählungen zu verbreiten und dadurch weiteren Zulauf zu bekommen. Das Personenpotenzial ist um gut 5 Prozent gestiegen – das lasse sich eindeutig auf das Protestgeschehen rund um die Pandemie zurückführen.

Als besorgniserregend bezeichnete der Bundesinnenminister auch die Waffenaffinität vieler "Reichsbürger" und "Selbstverwalter". "Man kann es nicht oft genug sagen: Wir dürfen seit Hanau und Halle beim Thema Waffenecht nicht einfach zur Tagesordnung übergehen." Die Entwaffnung von "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" bleibe für ihn prioritär.

"Teile der linksextremen Szene agieren zunehmend aggressiv und enthemmt"

Auch die linksextremistisch motivierten Straftaten haben im Jahr 2020 erneut einen Höchststand erreicht: Besonders drastisch war der Anstieg bei den linksextremistischen Gewalttaten um 34 Prozent. Darüber hinaus agierten Teile der linksextremen Szene zunehmend aggressiv und enthemmt: "Früher fand linksextremistische Gewalt besonders bei Demonstrationen statt", erklärte der Bundesinnenminister, "in den letzten Jahren gab es dagegen zunehmend heimlich begangene, planvoll durch Kleingruppen organisierte Gewaltaktionen." Außerdem veröffentlichen Linksextremisten öfter personenbezogene Daten politischer Gegner im Internet, um sie einzuschüchtern.

Islamismus bleibt sehr ernste Bedrohung

Auch der islamistische Terrorismus bleibe eine sehr ernste Bedrohung für unsere Bürgerinnen und Bürger und den deutschen Rechtsstaat, betonte der Minister. Dies belegten die Anschläge in Deutschland und anderen europäischen Ländern im vergangenen Jahr. Auch wenn der Zulauf zur zahlenmäßig bedeutendsten islamistischen Strömung, dem Salafismus, durch entschlossenes staatliches Handeln im Jahr 2020 erstmals stagnierte, könne bei über 12.000 Anhängern von Entwarnung keine Rede sein.

Der Verfassungsschutzbericht zeige: Die Bedrohungslage in Deutschland hat in der Pandemie zugenommen und speist sich aus vielen Richtungen. Auch deshalb, so der Bundesinnenminister, sei die Aufklärungsarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz unverzichtbar für unser freiheitlich demokratisches System.