Eine Behörde wie keine zweite
Namensartikel 24.05.2024
Das Bundesinnenministerium als Garant für die wehrhafte Demokratie
Behörden Spiegel Mai 2024
Die Geschichte des Bundesinnenministeriums ist eine der steten Anpassung an die konkreten Bedürfnisse der Zeit. Alle Innenminister prägten das Haus in ihrem eigenen Stil und nahmen dabei große Verantwortung für die Sicherheit der deutschen Bevölkerung auf ihre Schultern. Sich seine Vergangenheit zu vergegenwärtigen hilft dabei, das Ministerium als das zu erkennen, was es in den 75 Jahren seit seiner Gründung geworden ist: der Garant für eine wehrhafte Demokratie.
Das heutige Bundesministerium des Innern und für Heimat ist ein Haus mit erfahrungsreicher Tradition, aber auch mit zweifelhafter Gründungsgeschichte. Gerade in den Anfangsjahren der noch jungen Bundesrepublik wurden, auch mit Blick auf die kriegsbedingte Personalnot, viele Beamte mit nationalsozialistischer Vergangenheit im Bundesinnenministerium beschäftigt. Der erste Staatssekretär, Hans Ritter von Lex, hatte 1933 als Abgeordneter im Reichstag Hitlers "Ermächtigungsgesetz“ zugestimmt und war während der gesamten NS-Zeit als Beamter im Reichsinnenministerium tätig. Es war gerade diese Verwaltungserfahrung, die ihn für Bundeskanzler Konrad Adenauer dafür qualifizierte, ab 1949 das Bundesministerium des Innern neu aufzubauen. Für den Staatssekretär war eine frühere NSDAP-Mitgliedschaft bei der Personalauswahl kein Ausschlusskriterium. Maßgeblich war, wie erfahren die Bewerber waren.
Erst in den 1970er Jahren unter Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher sank der Anteil ehemaliger NSDAP-Mitglieder im Haus auf unter 50 Prozent. Dass diese Entwicklung so lange dauerte, war eine Hypothek für die junge Bundesrepublik. Sie bremste nachweislich über Jahrzehnte die Aufarbeitung der mörderischen NS-Herrschaft und das Verinnerlichen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in der deutschen Bevölkerung.
Innenminister Thomas de Maizière stellte sich der historischen Last und gab eine umfassende Aufarbeitung in Auftrag. Von 2014 bis 2018 untersuchten Wissenschaftler des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin und des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam die Nachkriegsgeschichte des BMI schonungslos. Ich bin davon überzeugt: Die Aufarbeitung dieser Zeit hat für unsere Demokratie eine große Bedeutung. Ehrlichkeit und das Vermögen, eigene Fehler einzugestehen, sind wichtige Prämissen unserer demokratischen politischen Kultur. Nur wer bereit ist, die eigene Historie zu hinterfragen, kann sich gut für die Zukunft aufstellen.
Neue Antworten auf neue Bedrohungen
Die Bundesrepublik Deutschland ist heute eine starke und stabile Demokratie. Sie hat in ihrer 75-jährigen Geschichte dabei viele Herausforderungen gemeistert. Auch auf dem Feld der Innenpolitik, nicht zuletzt im Umgang mit Extremismus und Terrorismus. So versetzten über mehrere Jahrzehnte die linksextremistischen Terroristen der RAF das Land in Angst und Schrecken. Für mehrere Dutzend mörderischer Anschläge tragen sie die Verantwortung, 34 Opfer verloren ihr Leben. Die damaligen Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher und Werner Maihofer setzten während der ersten Jahre des RAF-Terrors vor allem auf Repression und die massive Aufrüstung der Sicherheitsorgane. Die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes erbrachten zahlreiche Fahndungserfolge. Es war Bundesinnenminister Gerhart Baum ab 1978, der mit dem Strategiewechsel in der Phase der „neuen Nachdenklichkeit“ einen wichtigen Beitrag dazu leistete, den RAF-Terror weiter zurückzudrängen. Eine zentrale Erkenntnis war: Gewalt entsteht in den Köpfen, bevor sie real wird. Wir brauchen mehr als Repression, um Extremismus an seinen Wurzeln zu bekämpfen.
Denn den Feinden der Demokratie müssen wir mit einem breiten Instrumentenkasten begegnen, der beides umfasst: Repression und Prävention. Mit den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 wurde schmerzhaft deutlich, dass die Sicherheitsbehörden auf international agierende Terroristen neue Antworten brauchten. Es war das beherzte Handeln von Bundesinnenminister Otto Schily, der auf die islamistische Bedrohung umgehend und umfassend reagierte – und diesem Anspruch Rechnung trug. Es brauchte zusätzliche Kompetenzen, unter anderem für Bundesverfassungsschutz und Bundeskriminalamt, um schnell und unbürokratisch sicherheitsrelevante Informationen einholen zu können. Unter Otto Schily erarbeitete das BMI in Rekordzeit neue Gesetze und Maßnahmen zur Terror-Abwehr und löste damit das Versprechen ein, unser Land auch vor neuen Bedrohungen effektiv zu schützen.
Als der Islamist Anis Amri 15 Jahre später einen gestohlenen Lkw in einen Berliner Weihnachtsmarkt steuerte und insgesamt 13 Menschen tötete, mussten das BMI und seine Sicherheitsbehörden erneut berechtigte Kritik aufnehmen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière reagierte schnell und stellte die Kooperation der Sicherheitsbehörden untereinander neu auf. Das 2004 von Otto Schily gegründete Gemeinsame Terrorabwehrzentrum durchleuchtete in der Folge alle ihm bekannten Gefährder nochmals genau. Und auch dank der intensiven Aufarbeitung eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages konnten viele der identifizierten Schwachstellen adressiert und behoben werden. Für die zehn Mordopfer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) kamen diese Reformen leider zu spät. Auch hier wurden aus Aufklärungs- und Ermittlungsergebnissen nicht die richtigen Schlüsse gezogenund wichtige Erkenntnisse zwischen Behörden nicht geteilt. Die abscheulichen Taten der rechtsextremistischen Terroristen wurden lange Zeit völlig falsch zugeordnet. Dass dies geschehen konnte, ist eine historische Last, aus der wir lernen müssen. Um niemals zu vergessen - und um alles dafür zu tun, dass sich so etwas nicht wiederholen kann.
Eine zeitgemäße Ausrichtung
Die Gründung der Abteilung für Heimat, Zusammenhalt und Demokratie durch Bundesinnenminister Horst Seehofer, die sich auch im Namen des Hauses wiederfindet, war 2018 sehr umstritten. Aus meiner Sicht spiegelt sie jedoch eine zentrale Lehre aus der Geschichte des Ministeriums wider: Unsere Demokratie kann sich ihrer Feinde nur erwehren, wenn die Gesellschaft zusammenhält. Das BMI ist heute gut aufgestellt, um diesen Zusammenhalt zu fördern.
Hauptaufgabe jedes Bundesinnenministers und jeder Bundesinnenministerin ist es, für die Sicherheit der Menschen in Deutschland zu sorgen und unsere Demokratie zu schützen. Dafür stehen unter anderem mit Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz starke Sicherheitsbehörden und ein großer Instrumentenkasten. Über 85.000 Männer und Frauen sorgen im BMI und seinen 19 Geschäftsbereichsbehörden für die Sicherheit unseres Landes – jeden Tag. Mit Engagement, Erfahrung und einem demokratischen Wertekanon. Denn es geht um nichts weniger als um unsere Demokratie.