"Es geht um Hilfe in der Not"
Interview 12.02.2023
Bundesinnenministerin Faeser im Interview mit der Bild am Sonntag
BamS
Wie hilft Deutschland den Erdbeben-Opfern konkret?
Es zerreißt uns allen das Herz, wenn wir die Bilder aus dem Katastrophengebiet sehen. Unsere Hilfe haben wir sofort gestartet. Ich bin stolz auf unsere Rettungskräfte vom THW und der Bundespolizei, die vor Ort helfen. Zusammen mit den Hilfsorganisationen suchen sie unermüdlich in den Trümmern nach Verschütteten. Die Überlebenden, die alles verloren haben, brauchen schnell winterfeste Unterkünfte. Wir liefern mit der Luftwaffe Zelte, Decken, Feldbetten und Stromgeneratoren. In der Trauer gibt es aber auch Hoffnung: Die Hilfsbereitschaft so vieler in ganz Deutschland berührt mich zutiefst.
Sollen Erdbebenopfer nach Deutschland einreisen dürfen, um bei Verwandten unterzukommen?
Es geht um Hilfe in der Not. Wir wollen ermöglichen, dass türkische oder syrische Familien in Deutschland ihre engen Verwandten aus der Katastrophenregion unbürokratisch zu sich holen können, damit sie bei uns Obdach finden und medizinisch behandelt werden können. Mit regulären Visa, die schnell erteilt werden und drei Monate gültig sind. Das werden wir gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt möglich machen.
Lösen das Erdbeben sowie die neue russische Offensive in der Ukraine weitere Zuwanderung nach Deutschland aus?
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass solche furchtbaren Naturkatastrophen vor allem zu Bewegungen in der Region führen. Auch aus der Ukraine sehen wir in den letzten Monaten nicht, dass mehr Menschen flüchten, wenn die Kämpfe dort zunehmen. Für mich ist aber klar: Sollte es eine weitere große Fluchtbewegung aus der Ukraine geben, müssen die Flüchtlinge in Europa besser verteilt werden. Dabei sollten besonders unsere osteuropäischen Nachbarn entlastet werden. Polen hat bislang über 1,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, Spanien 160.000. Das kann nicht so bleiben.
Die EU will die Asyl- und Migrationspolitik verschärfen. Was bedeutet das für Deutschland?
Wir helfen, den Schutz der Außengrenzen der EU zu verbessern. Und wir werden Migrationsabkommen mit Herkunftsländern schließen, auch um mehr Rückführungen durchführen zu können. Ich werde in Kürze mit Vertretern Frankreichs und der EU in die nordafrikanischen Staaten reisen. Wenn wir dort gemeinsam über Rückführungen verhandeln, hat das mehr Nachdruck, als wenn nur ein Land Gespräche führt.
Bislang gibt es immer weniger Abschiebungen, dafür immer mehr Zuwanderung. Ist Deutschland an der Aufnahmegrenze angekommen?
Acht von zehn Flüchtlinge sind im letzten Jahr aus der Ukraine zu uns gekommen, über eine Million Menschen. Sie haben ihr Leben retten können vor Putins grausamem Krieg. Für die geflüchteten Frauen und Kinder aus der Ukraine kann man keine Aufnahmegrenze definieren. Wir haben deshalb sehr viel getan, um irreguläre Migration aus anderen Staaten zu begrenzen: zum Beispiel durch intensivere Grenzkontrollen. Wir haben aber auch zu wenige Abschiebungen durch die dafür verantwortlichen Bundesländer. Über all das werden wir beim Flüchtlingsgipfel nächste Woche sprechen.
Braucht die EU auch Zäune an ihren Außengrenzen?
Die EU hat beschlossen, die Außengrenzen durch ihre Grenz- und Küstenwache Frontex zu sichern und dabei die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren. Das unterstütze ich.