"Zwei Kabel durchtrennt und die Bahn fällt aus – das sollte nicht möglich sein"

Typ: Interview , Datum: 25.08.2023

Innenministerin Faeser zum Schutz vor Sabotage

Der Spiegel

Vor fast einem Jahr haben Saboteure die Nord-Stream-Pipelines gesprengt. Was dachten Sie, als sie von den Explosionen erfuhren?

Bei mir kam sofort die Frage auf: Wie können wir uns besser schützen? Ein Ausfall von kritischer Infrastruktur kann enorme Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben. Ob das Pipelines sind, Stromleitungen oder die Trinkwasserversorgung. Deshalb haben wir uns schnell an ein Gesetz gemacht, um den Schutz zu erhöhen.

Glauben Sie, dass die Ermittler je zweifelsfrei werden aufklären können, wer hinter dem Anschlag steckt?

Ich erhoffe mir, dass der Generalbundesanwalt genügend Anhaltspunkte findet, um die Täter anzuklagen. Wir müssen solche Verbrechen vor Gericht bringen. Das stärkt auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat, wenn es gelingt, so komplexe Sachverhalte aufzuklären.

Einiges deutet darauf hin, dass die Täter einen Bezug zur Ukraine haben. Was hätte es für politische Konsequenzen, wenn sich dieser Verdacht bestätigt?

Ich spekuliere nicht. Das Verfahren liegt beim Generalbundesanwalt. Ich kann erst Bewertungen vornehmen, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind.

Ausländische Partnerdienste warnten Deutschland bereits im Sommer 2022 vor einem möglichen Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines. Hätte die Bundesregierung da nicht Vorkehrungen treffen müssen?

Mir sind keine solchen Informationen bekannt. Unabhängig davon war mit Beginn des russischen Angriffskriegs klar, dass die Risiken für die kritische Infrastruktur – auch in Deutschland – erheblich gestiegen sind. Deshalb haben wir die Schutzmaßnahmen sofort hochgefahren, etwa bei der Cyberabwehr.

Was unternehmen Sie konkret, um das Land besser vor Sabotage zu schützen?

Ich habe gerade ein Gesetz zum besseren Schutz kritischer Infrastruktur vorgelegt. Damit werden wir erstmals für elf Sektoren von der Energie über den Verkehr bis hin zur Gesundheits- und Lebensmittelversorgung einheitliche Mindeststandards festlegen. Da geht es um den Schutz der Anlagen, um Krisenmanagement, um die Versorgungssicherheit und alternative Lieferketten im Notfall. Auch ein strenges Störungsmonitoring werden wir dann haben. Und wenn Schäden eintreten, dann müssen sie möglichst geringgehalten werden. Ich bin gerade viel im Land unterwegs, um mir in Windparks, bei Trinkwasserversorgern oder der Deutschen Flugsicherung selbst ein Bild von den Schutzmaßnahmen zu machen.

Wie wollen Sie kontrollieren, dass die Unternehmen sich an die neuen Vorgaben halten?

Die Betreiber müssen dann dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zum Beispiel Resilienzpläne vorlegen. Darin müssen sie darlegen, wie sie sich gegen Bedrohungen wappnen. Es geht dabei übrigens nicht nur um Vorsorge gegen Sabotage oder Anschläge, sondern auch gegen Folgen des Klimawandels wie Überschwemmungen. Einen hundertprozentigen Schutz werden wir natürlich niemals haben. Wir werden nicht jedes Bahngleis überwachen können. Aber wir müssen dafür sorgen, dass wir so viel Sicherheit wie möglich haben. Im vergangenen Herbst ist die Bahn in Norddeutschland ausgefallen, nachdem an zwei verschiedenen Orten Kabel durchtrennt wurden. Das sollte in Zukunft nicht mehr möglich sein, weil es im Zweifel ein drittes oder viertes Sicherheitsnetz gibt.

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine war oft die Rede davon, dass die sogenannte Zeitenwende nicht nur für die Bundeswehr gelten darf. Sie haben damals von 20 Milliarden Euro gesprochen, die nötig seien, um die Cybersicherheit in den nächsten Jahren zu erhöhen. Das Geld scheinen Sie aber nicht zu bekommen.

Die 20 Milliarden Investitionsbedarf in 10 Jahren schließen die Länder mit ein. Hier sind alle gefordert. Auch wenn uns die Schuldenbremse Grenzen setzt, ich bleibe dabei: Putins Angriffskrieg stellt eine Zeitenwende auch für die innere Sicherheit dar. Es gibt verstärkt Hackerangriffe, durch staatliche wie auch durch kriminelle Angreifer. IT-Systeme in Deutschland werden gezielt auf Schwachstellen gescannt. Wir haben deshalb seit Kriegsbeginn mehrere Hundert Millionen Euro in die Cybersicherheit investiert, vor allem um die Netze des Bundes zu schützen. Und wir müssen hier weiter investieren.

Sie würden den Behörden gern auch mehr Befugnisse für die Cyberabwehr einräumen. Ginge es nach Ihnen, dürften sie zum Beispiel in ausländische Server eindringen, um laufende Angriffe zu stoppen. FDP und Grüne machen da nicht mit. Geben Sie sich an dem Punkt geschlagen?

Die Lage ist eindeutig: Es gibt eine grundlegend veränderte Sicherheitslage, da brauchen wir zusätzliche Befugnisse zur Abwehr. Um nichts anderes geht es mir. Wir müssen das Bundeskriminalamt stärken und dafür auch die Gesetze anpassen, weil sie für die Gefahrenabwehr bei Cyberattacken nicht ausreichen.

Teile der deutschen Infrastruktur werden mit Technologie aus China betrieben, in den Mobilfunknetzen etwa stecken Komponenten des chinesischen Herstellers Huawei. Müssen die Telekommunikationsanbieter sie demnächst wieder ausbauen?

Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass wir unsere Kommunikationsnetze schützen müssen. Wenn die Prüfung durch unsere Expertinnen und Experten ergibt, dass diese Komponenten unsere Sicherheit gefährden können, dann werden wir handeln. Diese Prüfung ist bald abgeschlossen. Klar ist aber auch: Wir müssen viel stärker als früher darauf achten, dass wir uns bei unserer kritischen Infrastruktur nicht abhängig machen von anderen Staaten. Das wäre fahrlässig.