"Jeder Politiker sollte eine Ausbildung haben."

Typ: Interview , Datum: 05.10.2022

Innenministerin Nancy Faeser im Gespräch mit BUNTE.

BUNTE

Manchmal bricht aus Ihnen so ein herzliches, befreiendes Lachen heraus. Setzen Sie das auch ab und zu als Waffe ein?

Oh danke, ein schönes Kompliment. Ich bin von Natur aus ein fröhlicher und optimistischer Mensch. Ein Lachen oder Lächeln kann immer hilfreich sein, weil es vielleicht schneller Türen öffnet.

In Ihrem Alltag überwiegen schwierige und ernste Themen. Vergeht Ihnen manchmal die gute Laune?

Natürlich gibt es viele Themen und Ereignisse, die mich bedrücken. Als vor wenigen Monaten fünf Menschen bei dem furchtbaren Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen gestorben sind, war so ein Moment. Ich bin wenige Stunden danach am Unglücksort gewesen. Wenn ich da das Leid der Betroffenen spüre und die Last, die die Helfer zu tragen haben, berührt mich das sehr. In solchen Situationen will ich trösten und Solidarität ausdrücken. 

Die Sicherheit des Landes lag bisher ausschließlich in männlichen Händen, wie man an der Ahnenreihe Ihrer 19 Vorgänger sieht. Wie fühlt es sich an, die erste Frau in diesem Amt zu sein?

Das ist schon immer noch ungewöhnlich. Die Sicherheitsbehörden sind besonders männlich geprägt, obwohl wir so viele großartige Polizistinnen in unserem Land haben. Ich würde mich zum Beispiel freuen, wenn ich mehr Amtskolleginnen hätte. Ich höre öfter, wie toll es sei, dass zum ersten Mal eine Frau an der Spitze des Innenministeriums steht. Das sollte keine Besonderheit, sondern eine Selbstverständlichkeit sein.

Sie haben einen detaillieren Einblick in die aktuellen Bedrohungen: Extremismus von Linken oder Rechten, Terrorismus, Islamismus, kriminelle Banden etc. – was besorgt Sie am meisten?

Im Moment sind es der furchtbare Krieg mitten in Europa und die unmittelbaren Auswirkungen auf uns. Aber auch die Frage, wie wir unsere Gesellschaft in diesen Krisenzeiten zusammenhalten, treibt mich sehr um. Wir müssen unsere Demokratie gegen all ihre Feinde verteidigen – viel stärker als früher. Ein anderes Thema, das mir sehr wichtig ist, ist sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder. Hier brauchen wir mehr Bewusstsein, mehr Empathie mit den Betroffenen und ein viel härteres Vorgehen gegen die Täter. Deshalb kämpfe ich um die notwendigen Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, um effektiv gegen diese widerliche Form der Kriminalität zu kämpfen.

Ihrem Ministerium untersteht auch der Sport. Trifft das Ihr persönliches Interesse?

Unbedingt, ich bin eine begeisterte Sportlerin. Als Mädchen war ich Dressurreiterin, bin auch Turniere geritten. Jetzt habe ich gerade wieder angefangen zu laufen – dreimal in der Woche und bei jedem Wetter.

Ihr Vater war Bürgermeister von Bad Soden. Hat er Ihr politisches Interesse geweckt?

Mein Vater spielte natürlich eine große Rolle, aber eigentlich interessiert sich meine ganze Familie für Politik und engagiert sich. Das hat mich geprägt.

Eine Ehe geben einige leichter auf als die Mitgliedschaft in einer Partei, oder?

Das weiß ich nicht. Ich glaube an meine Ehe und bin sehr glücklich verheiratet. Aber es stimmt schon: Als Mitglied einer Partei ist man nicht immer mit jeder einzelnen Entscheidung einverstanden, aber man geht gemeinsam durch Höhen und Tiefen und hält durch. Das ist in einer Ehe ähnlich – jedenfalls in einer guten.

Sie sind Sozialdemokratin und haben als Rechtsanwältin in einer Großkanzlei gearbeitet. Herrscht gerade dort nicht purer Kapitalismus? 

Sicher müssen die Zahlen stimmen und es zählen Erfolge, aber mich hat vor allem die Professionalität beeindruckt. Ich war auf Immobilien- und Umweltrecht spezialisiert und habe exzellente Weiterbildung auf höchstem Niveau bekommen. Von den Partnern der Kanzlei habe ich viel gelernt, davon profitiere ich heute in der Politik. Grundsätzlich finde ich, dass jeder Politiker eine Ausbildung haben sollte, in die er oder sie zurückkann. Das macht unabhängig und freier in den Entscheidungen.

Wofür geben Sie gern Geld aus?

Für meinen Sohn, er ist jetzt sieben. Ich befürchte, ich verwöhne ihn manchmal zu sehr. 

Wie findet es Ihr Sohn, dass seine Mutter öfter im Fernsehen zu sehen ist?

Er findet gerade toll, was um ihn herum passiert. Vor allem die Polizeiautos und die Sicherheitskräfte haben es ihm angetan. Die haben sein Herz sofort erobert – und umgekehrt ebenso.

Wie organisieren Sie Ihr Familienleben?

Mein Mann übernimmt zuhause viel mehr als ich. Und wir haben Unterstützung von meiner Mutter, was für mich ein gutes Gefühl ist. Für meinen Mann ist das gerade nicht einfach, er arbeitet ja auch als Rechtsanwalt. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und haben zusammen studiert – eine Studentenliebe. 

Ihren Kleidungsstil sieht man an, dass Sie Freude an Mode haben. Hat sich der Inhalt Ihres Kleiderschanks geändert, seitdem Sie Ministerin sind?

Nicht wirklich, ich war ja als Anwältin schon auf Business-Kleidung eingestellt. Trotzdem ist es für mich ein Balanceakt, morgens die Kleidung zu finden, in der ich mich den ganzen Tag wohlfühle und die angemessen ist für meine Termine. Da ich öfter in den Medien bin, überlege ich mir auch, welche Kleider oder Blazer ich zu welchen Anlässen schon anhatte. Wiederholungen lassen sich allerdings nicht ausschließen, ich kann mir ja nicht ständig etwas Neues kaufen.

Schaffen Sie es mit hohen Schuhen durch den Tag?

Ein Kompromiss – halbhohe Absätze.

[Es handelt sich um eine gekürzte Fassung des Interviews vom 5.10.2022]