Weniger Einbrüche, mehr missglückte Versuche, höhere Aufklärungsquote
Interview 03.07.2018
Ein Interview mit Bundesinnenminister Horst Seehofer zum Thema Wohnungseinbruchdiebstahl
Haus & Grund
Das Interview führte: Eva Neumann
Für unsere Mitglieder, aber auch in der Bevölkerung insgesamt ist das Thema Wohnungseinbruch ein sehr wichtiges und sehr emotionales Thema. Warum?
Der Einbruch in die eigenen vier Wände stellt für die Betroffenen eine massive Verletzung der Intimsphäre dar, die regelmäßig Auswirkungen auf die Psyche hat, wie beispielsweise anhaltende Verunsicherungen, Ängste und oftmals schwere und langwierige Störungen des persönlichen Sicherheitsgefühls. Diese Folgen sind oftmals weitaus erheblicher als die materiellen Schäden, zieht ein Teil der Betroffenen doch manchmal sogar in Erwägung, sein Heim zu verlassen.
Wie bewerten Sie die aktuellen Fall- und Aufklärungszahlen insgesamt?
Nachdem wir im Jahr 2016 erstmalig einen Rückgang der Fallzahlen des Wohnungseinbruchdiebstahls um 9,5 Prozent verzeichnen konnten, ist für das vergangene Jahr eine weitere bedeutende Reduzierung um 23 Prozent festzustellen. Auch wenn sich naturgemäß einfache Antworten verbieten, spielen die massiven Anstrengungen aller Beteiligten in Bund, Ländern, Kommunen und in den Präventionsberatungsstellen eine bedeutende Rolle. Das im präventiven und repressiven Bereich ergriffene Maßnahmenbündel zeigt offensichtlich Wirkung. Jedoch ist der erfreuliche Rückgang der Fallzahlen kein Grund, in unseren Anstrengungen nachzulassen.
Hinter den Durchschnittswerten verbergen sich teils große Abweichungen: In Schleswig-Holstein beispielsweise ging die Zahl der erfassten Fälle um 36,1 Prozent zurück, in Thüringen um 0,4 Prozent. Woran liegen solche Unterschiede?
Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls, wie die Kriminalitätsbekämpfung insgesamt, maßgeblich von den zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen abhängig ist, was insbesondere die zuständigen Länderpolizeien betrifft. Bei der Betrachtung der Fallentwicklung müssen zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden, wie zum Beispiel das Fallaufkommen, Häufigkeitszahlen, ob es sich eher um einen ländlichen oder großstädtischen Bereich handelt, die Infrastruktur und Anbindung Stichwort: Fluchtmöglichkeiten, sowie die Umsetzung von präventiven wie repressiven Maßnahmen in den jeweiligen Bundesländern. Zur Betrachtung der Belastung in verschiedenen Bundesländern können die Häufigkeitszahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik herangezogen werden. Mit Ausnahme von Thüringen, das gemäß Häufigkeitszahl jedoch am zweitwenigsten belastet war, gab es in allen Bundesländern einen Fallzahlenrückgang von mehr als 28 Prozent, dabei in Schleswig-Holstein mit minus29,9 Prozent, im Saarland mit minus 28,6 Prozent und in Rheinland-Pfalz mit minus 28,3 Prozent. Etwa ein Drittel der Wohnungseinbruchsdiebstähle ereigneten sich in Nordrhein-Westfalen. Von der Häufigkeitszahl her stärker belastet waren Bremen, Hamburg und Berlin. Die niedrigsten Häufigkeitszahlen mit unter 100 wiesen Bayern, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Sachsen auf. Eine belastbare Aussage zu den Hintergründen der Unterschiede ist aufgrund der zahlreichen Einflussfaktoren nicht möglich.
Auch die bundesweite Aufklärungsquote von 23 Prozent ist nur begrenzt aussagekräftig: In Berlin und Bremen wurde im Jahr 2017 nicht einmal jeder zehnte Fall aufgeklärt, in Hamburg liegt die Quote bei 11,8 Prozent. Auf den ersten Blick mag man das auf die besondere Situation der Stadtstaaten schieben. Doch in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ist die Quote mit 12,4 bzw. 12,2 Prozent nur unwesentlich besser. Welche Erklärungen gibt es dafür?
Bei der Betrachtung der Aufklärungsquote sind vergleichbare Faktoren wie beim Fallaufkommen zu berücksichtigen. Hinzu kommen geografische Umstände, wie zum Beispiel die Grenznähe zu anderen Staaten und die Nähe zu Brennpunkten in einem benachbarten Bundesland. Daher können auch hier alleine anhand der Statistik keine belastbaren Aussagen zu den Gründen unterschiedlicher Aufklärungsquoten vorgenommen werden.
Bei der Aufklärung stehen manchmal ganz praktisch bürokratische Probleme im Weg: Wenn in Berlin ein Wohnungseinbruch beobachtet wird, die Polizei die Täter verfolgt und diese über die Landesgrenze nach Brandenburg fahren, müssen die Berliner Polizisten an die Brandenburger Kollegen übergeben. In der Zwischenzeit sind die Täter über alle Berge. Welche Bestrebungen gibt es, solche Hürden bei der Strafverfolgung zu verringern oder gar zu beseitigen?
Diese sogenannten bürokratischen Probleme sollten sich nach meinem Kenntnisstand nicht stellen: Die sogenannte Nacheile ist gemäß § 167 Gerichtsverfahrensgesetz auch über Grenzen der Bundesländer zulässig. Dabei muss der Ergriffene dann unverzüglich an das nächste Gericht oder die nächste Polizeibehörde des Ergreifungslandes überstellt werden. Darüber hinaus sind bei der Notwendigkeit einheitlicher Ermittlungen in mehreren Bundesländern Polizeivollzugsbeamte der Länder nach dem Abkommen über die erweiterte Zuständigkeit der Polizei vom 8. November 1991 zur Vornahme von Amtshandlungen in anderen Bundesländern berechtigt. Auch dem Bundeskriminalamt ist keine Verpflichtung bekannt, bei der Verfolgung eines Straftäters an der Landesgrenze des eigenen Bundeslandes anzuhalten. Eine Übergabe der laufenden Maßnahmen an die örtlich zuständigen Behörden erfolgt nahtlos im Laufe der Maßnahme, so dass die Verfolgung und Festnahme eines Täters hierdurch nicht gefährdet wird.
Ein anderes Beispiel: Anwohner beobachten ein verdächtiges Fahrzeug und rufen die Polizei. Die jedoch kann nichts tun – selbst wenn das Fahrzeug einschlägig bekannt ist! -, es ist ja noch keine Straftat geschehen. Wo sehen Sie Lösungsansätze?
Dieses Beispiel ist ebenfalls nur begrenzt zutreffend. Selbstverständlich können verdächtige Fahrzeuge auf Basis der Polizeigesetze polizeilichen Kontrollen unterzogen werden. Bereits diese Maßnahmen haben einen präventiv-polizeilichen Effekt, der häufig zur Aufgabe des Tatplanes oder aufgrund entsprechender Feststellungen im Fahrzeug bzw. bei den Insassen zur Verhinderung der geplanten Tat führen. Eine erhöhte polizeiliche Präsenz an Brennpunkten von Straftaten führt in der Regel ebenfalls zu einer positiven Beeinflussung des Straftatenaufkommens.
Der Anteil der versuchten Wohnungseinbrüche ist erneut gestiegen. Wie bewerten Sie dies?
Die Bedeutung des präventiven Bereichs ist nicht zu unterschätzen. Der jährlich steigende Versuchsanteil, 1993 lag er bei 28,3 Prozent, 2017 bei 45 Prozent, belegt die Wirksamkeit eingebauter Sicherungstechnik und anderer Maßnahmen für einen verbesserten Einbruchschutz. Jedoch zeigen Studien, dass über 70 Prozent der Befragten keine Sicherheitstechnik zum Schutz vor Einbrüchen einbauen. Daher erscheint es weiterhin notwendig, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren, umfassend aufzuklären und für den besseren Schutz ihrer Wohnungen zu motivieren.
Mit welchen Maßnahmen werden Sie künftig Einbruchprävention weiter stärken?
Die Bundesregierung beabsichtigt aufgrund der Erfolge der Präventivmaßnahmen, die KfW-Förderung „Kriminalprävention durch Einbruchsicherung“ zu verstetigen und auszuweiten. Für das KfW-Investitionszuschussprogramm „Kriminalprävention“ stehen für 2018 50 Millionen. Euro bereit. Die Förderung erfolgt seit September 2017 durch gestaffelte Zuschüsse. Diese liegen für Maßnahmen mit Kosten von 500 bis 1.000 Euro bei 20 Prozent der Investitionssumme. Für Investitionskosten, die über 1.000 Euro liegen, wird wie bisher ein Zuschuss von 10 Prozent gewährt.
Seit Programmstart im Jahr 2015 bis 28. Februar 2018 sind rund 148.00 Wohneinheiten über das Zuschussprogramm „Kriminalprävention“ der KfW gefördert worden. Die Anzahl der Zusagen beläuft sich auf rund 120.000, das Zusagevolumen beträgt rund 71 Millionen Euro.
Herzlichen Dank für das Gespräch!