Die internationale Dimension der deutschen Innenpolitik
Artikel Verfassung
Nahezu jeder Politikbereich in Deutschland wird heutzutage von europapolitischen und internationalen Aspekten berührt. Auch die deutsche Innenpolitik hat eine europäische und internationale Dimension. Sie spiegelt sich unter anderem in der Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten im Bereich Migration, in der polizeilichen Zusammenarbeit beim Grenzschutz bis hin zu gegenseitiger Unterstützung im Bevölkerungsschutz, wie beispielsweise bei Unwetterkatastrophen wider. Auch die europäische Nachbarschaftspolitik und die internationale Zusammenarbeit mit wichtigen Drittstaaten spielt für Deutschland eine immer größere Rolle.
Der im EU-Vertrag geregelte Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist eine politische Errungenschaft der Europäischen Union, dessen Bewahrung und Festigung ein zentrales Ziel der europäischen und deutschen Innenpolitik ist.
Wir leben in einem Europa der gemeinsamen Werte und Regeln, aber auch in einem gemeinsamen Gefahrenraum. Innenpolitische Herausforderungen und Entwicklungen treffen die europäischen Mitgliedsstaaten häufig gleichermaßen und erfordern eine gleichartige Antwort. Brüssel wird daher immer wichtiger, wenn es darum geht, gemeinsame und abgestimmte Antworten auf neue Krisen und Herausforderungen zu finden. Erfolgreiche Innenpolitik gelingt nur durch eine starke Vernetzung und eine enge grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Die europäische Innenpolitik – mit mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen auf die nationale Innenpolitik der Mitgliedsstaaten – gehört daher zu den wichtigsten Politikbereichen der Europäischen Union.
Externer Link: Konferenz zur Zukunft Europas (Öffnet neues Fenster) Quelle: EU
Europäische Innenpolitik
Fast alle Themen des Bundesinnenministeriums haben inzwischen eine europäische Dimension. Dies zeigt sich exemplarisch am Beispiel des gemeinsamen Schengenraums ohne Binnengrenzen und dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem. Auch die europäische und internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, der organisierten Kriminalität, der Schleusungskriminalität und des Drogenhandels spielt eine herausragende Rolle. Daneben haben der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, die Gewährleistung von Cybersicherheit und die Bekämpfung von hybriden Bedrohungen eine immer größer werdende europäische und internationale Bedeutung.
Wirksam lassen sich all diese Thema nur gemeinsam mittels enger grenzüberschreitender Zusammenarbeit angehen. Hierfür wurden im Vertrag von Lissabon der Europäischen Union umfassende Rechtsetzungskompetenzen übertragen, die von den EU-Mitgliedsstaaten im Rat der Europäischen Union verhandelt werden.
Im Bereich des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat (BMI) geht ein erheblicher Teil der durch Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Gesetze auf europäische Regelungen zurück. Dazu gehören einerseits EU-Richtlinien, die in einer bestimmten Frist in nationales Recht umgesetzt werden müssen und andererseits EU-Verordnungen, die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten Anwendung finden. Letztere werden direkt vom Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament beschlossen und setzen auch für Deutschland unmittelbar geltendes Recht.
Für das BMI vertritt die jeweils amtierende Bundesinnenministerin bzw. der jeweils amtierende Bundesinnenminister die Bundesrepublik Deutschland in der EU, im Fachministerrat für Justiz und Inneres (JI-Rat). Für die Innenministerinnen und -minister sind die Sitzungen des JI-Rates die wichtigsten Termine auf EU-Ebene. Bei diesen Treffen gestalten die Ministerinnen und Minister den Rahmen für die innenpolitischen Themen. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMI nehmen regelmäßig an Ratsarbeitsgruppensitzungen in Brüssel teil, in denen gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten die EU-Rechtsakte für die Fachministerräte beraten und vorbreitet werden. Dies bedeutet auch, unsere Partner mit guten Argumenten zu überzeugen und tragfähige Kompromisse zu erzielen. Zusätzlich vertreten in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland zwei Referate die innenpolitischen Themen dauerhaft vor Ort in Brüssel.
Bilaterale Beziehungen zu europäischen Partnern
Neben der Teilnahme an den Sitzungen des JI-Rates tauscht sich die jeweils amtierende Innenministerin bzw. der jeweils amtierende Innenminister regelmäßig bilateral mit Amtskolleginnen und -kollegen aus den anderen Mitgliedstaaten aus.
Diese Gespräche dienen zum einen dazu, Themen, die beide Gesprächspartner gleichermaßen betreffen, in informeller und offener Atmosphäre zu erörtern und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.
Zum anderen wirbt die Ministerin bzw. der Minister bei diesen Treffen für die deutschen Anliegen bei innenpolitischen Fragen und stimmt sich mit den anderen Mitgliedstaaten ab. Bilaterale Abstimmungen sind notwendig, da innenpolitische Entscheidungen im JI-Rat nach dem Mehrheitsprinzip getroffen werden. Die Bundesrepublik Deutschland kann also Entscheidungen nicht allein herbeiführen oder verhindern.
Auch auf Arbeitsebene findet ein regelmäßiger Austausch zu Fachthemen mit unseren europäischen Partnern statt.
Zusammenarbeit mit Ländern außerhalb der EU
Die EU bemüht sich, ihre Zusammenarbeit mit wichtigen Drittländern im Bereich der inneren Sicherheit zu intensivieren. Ziel ist es unter anderem, Grenzkontrollen zu verbessern und irreguläre Migration, grenzüberschreitende Kriminalität - wie Drogen- und Menschenhandel - sowie internationalen Terrorismus effizient zu bekämpfen.
Auch für Deutschland und das BMI ist eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit wichtig. Ausschließlich nationale Lösungsansätze sind in unserer eng vernetzten Welt kaum mehr denkbar. Viele innenpolitische Ziele können nur in Kooperation mit anderen Staaten erreicht werden. Wir arbeiten daher mit zahlreichen Behörden aus verschiedensten Teilen der Welt zusammen. Hinzu kommt ein Engagement in diversen internationalen Organisationen und Formaten.
Das BMI pflegt einen engen Erfahrungsaustausch mit seinen internationalen Partnern, um im Verbund noch erfolgreicher seine Aufgaben zu erfüllen.
Kriminalitätsbekämpfung in internationaler Zusammenarbeit
In vielen Bereichen braucht es dafür die enge Kooperation mit Drittstaaten. Dies gilt etwa für die Bekämpfung von Terrorismus, da entsprechende Gruppierungen regelmäßig grenzüberschreitend operieren. Hier bedarf es einer engen Zusammenarbeit mit Partnern und anderen betroffenen Staaten, um eine frühzeitige Erkennung und Identifizierung von Tätern zu ermöglichen.
Auch bei der Eindämmung organisierter und schwerer Kriminalität sind wir auf eine internationale Koordinierung angewiesen. Kriminelle Organisationen sind häufig länderübergreifend tätig, so dass ein wirksames Vorgehen nur in enger Abstimmung mit anderen Sicherheitsbehörden möglich ist. Insbesondere im immer wichtiger werdenden Feld der Cyberkriminalität sind nationale Alleingänge undenkbar.
Kooperationen bei Grenzschutz und Visapolitik
Daneben ist das BMI in Bereichen aktiv, die aus ihrer Natur heraus ein Zusammenwirken mit anderen Ländern erfordern. Darunter fällt etwa der Grenzschutz, der nur in Abstimmung mit unseren europäischen Partnern und benachbarten Drittstaaten erfolgreich sein kann. Auch eine ergebnisorientierte Visapolitik ist nur durch regelmäßige Verhandlungen mit anderen Regierungen möglich.
Ein weiteres internationales Aufgabenfeld bildet die sogenannte polizeilichen Ausbildungs- und Ausstattungshilfe. Sie leistet einen bedeutenden Beitrag zur Sicherheit in vielen Teilen der Welt und stärkt damit auch die Sicherheit in Europa und Deutschland. Hochqualifizierte und gut ausgerüstete Polizeikräfte tragen maßgeblich zur Stabilität ihrer Heimatstaaten bei. Dies erlaubt es den Menschen, ohne Angst in ihrer Heimat zu leben und sich langfristige Perspektiven vor Ort aufzubauen.
Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterung der EU
Wichtig sind für die EU auch ihre unmittelbaren Nachbarn. Die Europäische Nachbarschaftspolitik setzt Schwerpunkte in der südlichen und der östlichen Nachbarschaftsregion. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Politik ist die Heranführung der Staaten des westlichen Balkans an die Europäische Union mit dem langfristigen Ziel deren EU-Beitritts sowie die Intensivierung der regionalen Zusammenarbeit. Durch das Bundesinnenministerium werden die Reformprozesse der Kandidatenländer in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Recht unterstützt.
In Osteuropa kommt es darauf an, die begonnenen Reformprozesse gerade auch im Sicherheitsbereich zu vertiefen und die Einflussnahme Russlands, insbesondere vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine, zurückzudrängen.
Seit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ("Brexit") sind außerdem die Beziehungen zum Vereinten Königreich ein neuer und wesentlicher Bestandteil der Europäischen Nachbarschaftspolitik geworden.
Der Austritt stellt einen Sonderfall in der Europäischen Außenpolitik dar, der sowohl für die Wirtschaft, aber auch für die Bürger umfangreiche Änderungen mit sich gebracht hat.
Europäische Bürgerinitiative
Europäische Bürgerinitiative (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Europäische Union
Seit 2012 können die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union über eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) die Europäische Kommission auffordern, einen Rechtsakt in Bereichen der EU-Zuständigkeiten vorzuschlagen.
Eine Bürgerinitiative muss von mindestens einer Million EU-Bürgerinnen und -Bürgern aus mindestens sieben der 27 Mitgliedstaaten unterstützt werden. In jedem dieser sieben Mitgliedstaaten ist eine Mindestanzahl von Unterstützern erforderlich.
Aktuelle Rechtsgrundlagen sind die Verordnung (EU) 2019/788 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.04.2019 über die Europäische Bürgerinitiative, zuletzt geändert am 15.12.2020, sowie in Deutschland das Gesetz zur Europäischen Bürgerinitiative (EBIG) vom 07.03.2012 (BGBl. I S. 446), zuletzt geändert am 09.11.2022.
Auf den nächsten Seiten finden Sie nähere Informationen und Ansprechpartner dazu.
Webseite der Europäischen Union: https://citizens-initiative.europa.eu/_de
Webseite des Bundesverwaltungsamts: Europäische Bürgerinitiative
Stand: 28.11.2024