Programm P20
Artikel Sicherheit
Mit dem Programm P20 wird die polizeiliche IT-Architektur harmonisiert und modernisiert. Die deutsche Polizeiarbeit wird sich dadurch grundlegend ändern.
Auf dem Weg zu einer gemeinsamen, digitalen und vernetzten Polizei
Die gegenwärtig heterogene IT-Landschaft der deutschen Polizeien genügt nicht mehr den Anforderungen an eine moderne Polizeiarbeit. Sie ist geprägt von Eigenentwicklungen, Sonderlösungen, unterschiedlichen Dateiformaten und Erhebungsregeln. Hinzu kommt, dass die Informationsarchitektur der Polizeien in Deutschland auf einer Vielzahl unterschiedlicher Datentöpfe basiert, die kaum miteinander verbunden sind.
Deshalb verständigten sich die Innenminister des Bundes und der Länder 2016 auf die sogenannte Saarbrücker Agenda, die eine gemeinsame, moderne und einheitliche Informationsarchitektur festlegt.
Im Ergebnis sollen die circa 320.000 Polizeibeschäftigten jederzeit und überall Zugriff auf die Informationen haben, die sie für ihre tägliche Arbeit benötigen. Das polizeiliche Informationswesen soll harmonisiert und neu aufgestellt sowie die bisher heterogene Datenhaltung durch ein gemeinsames Datenhaus vereinheitlicht werden.
Dabei müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen und vor allem der Datenschutz berücksichtigt werden. Ein weiteres Ziel ist, die Polizeien von Bund und Ländern mit ihren nationalen und internationalen Partnern digital und medienbruchfrei zu vernetzen.
P20 – die digitale Transformation der deutschen Polizei
Das BMI hat zur Umsetzung der Saarbrücker Agenda das Programm P20 geschaffen, an dem alle 20 deutschen Polizeien beteiligt sind. Neben den 16 Landespolizeien nehmen die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, das Zollkriminalamt und die Polizei beim Deutschen Bundestag am Programm teil. Die polizeiliche Fall- und Sachbearbeitung und somit auch Ermittlungen werden mit der Umsetzung von P20 deutlich vereinfacht. Informationen können schneller miteinander abgeglichen, verifiziert und ausgetauscht werden. Die Polizei kann effizienter zusammenarbeiten und zielgerichteter agieren. Das mehrfache Erheben, Eingeben und der wiederholte Abgleich von Daten entfällt. Wichtige Informationen werden dort verfügbar sein, wo sie erforderlich sind. Dazu werden die verschiedenen IT-Systeme und Verfahren konsolidiert und an zentraler Stelle einheitliche, moderne Verfahren entwickelt. Diese können dann von allen Polizeien nach den gleichen Standards genutzt werden. Die Polizeibeschäftigten sollen von zeitaufwändigen Arbeiten der Eingabe, Pflege und Abfrage unterschiedlicher IT-Systeme entlastet werden und sich auf die wesentlichen Polizeiarbeiten konzentrieren können. Die Neuordnung der polizeilichen Informationsarchitektur ist dabei ein wichtiger Aspekt, die IT jedoch kein Selbstzweck. Das eigentliche Ziel besteht in der Straffung von Prozessen und der Optimierung der polizeilichen Fähigkeiten.
Nach einer Phase der grundlegenden strategischen Konzeptionierung tritt das Programm P20 nun mehr und mehr in die Umsetzungsphase ein. So nimmt das einheitliche Fallbearbeitungssystem (eFBS) bei immer mehr Teilnehmerprogrammen den Wirkbetrieb auf. Außerdem steht die Überführung der unterschiedlichen polizeilichen Vorgangsbearbeitungssysteme auf drei bundesweit genutzte Interimssysteme bevor; aus diesen Systemen erfolgt dann die Überleitung in das Zielbild des Programms P20. Alle wesentlichen Transformationsschritte im Kontext von P20 sollen bis zum Jahr 2030 geschafft sein.
Die Ausrichtung des Programms P20 folgt drei strategischen Zielen
P20 wird nicht als reines IT-Projekt, sondern als Organisationsentwicklungsvorhaben verstanden, das auf die digitale Transformation der Polizeiarbeit abzielt. Übergreifend betrachtet werden dabei drei strategische Ziele verfolgt:
Polizeiliche Informationen besser verfügbar machen: Das Programm P20 stellt sicher, dass polizeiliche Informationen umfassend verfügbar sind. Das heißt, alle Polizeibeschäftigten erhalten die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort, beim Einsatz im Rahmen einer Verkehrskontrolle auf der Straße ebenso wie bei der großangelegten Aufklärung im Bereich der organisierten Kriminalität.
Datenschutz durch Technik stärken: Die Sicherheit der gespeicherten Daten hat höchste Priorität. Diese wird durch den Einsatz innovativer Technologien gewährleistet, ohne die Arbeit der Polizeibeschäftigten einzuschränken. Alle Anforderungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2016 zur hypothetischen Datenneuerhebung werden umgesetzt.
Wirtschaftlichkeit erhöhen: Polizeiliche Verfahren werden künftig einmal entwickelt und betreut. Daten werden zukünftig nur noch einmal statt mehrfach erhoben. Durch die Bündelung von Ressourcen wird eine hohe Wirtschaftlichkeit und Flexibilität gewährleistet. Auf neue Anforderungen kann so schneller reagiert und diese zeitnah umgesetzt werden.
Damit die strategischen Ziele erreicht werden können, wurde Anfang des Jahres 2020 ein von Bund und Ländern gemeinsam getragener Polizei-IT-Fonds eingerichtet. Dadurch wurde eine über mehrere Jahre belastbare finanzielle Planungsgrundlage für P20 geschaffen, was einen Meilenstein in der föderalen Zusammenarbeit zu einem Vorhaben dieser Größenordnung darstellt.
Evolution statt Revolution
Im Frühjahr 2021 hat der Verwaltungsrat des Polizei-IT-Fonds – das zentrale strategische Entscheidungsgremium im Programm P20 – den Beschluss gefasst, ein schrittweises Programmvorgehen zu etablieren. Damit will es den unterschiedlichen Ausgangs- und Interessenlagen der 20 Programmteilnehmer Rechnung tragen und ihnen eine größtmögliche Flexibilität bei der Transformation einräumen. So erfolgt bis Mitte 2023 zunächst die zentrale Bereitstellung einheitlicher Systeme der polizeilichen Sachbearbeitung (zum Beispiel bei der Vorgangs- und Fallbearbeitung oder im Asservatenmanagement) sowie der Aufbau eines initialen zentralen Datenhauses. Der Wechsel auf die zentral bereitgestellten Systeme erfolgt sukzessive. Die Zielarchitektur soll im Jahr 2030 erreicht werden.
Erste Projekte im Programm P20 sind bereits erfolgreich gestartet, zum Beispiel die Bereitstellung eines einheitlichen Fallbearbeitungssystems (eFBS). Das eFBS ist ein kriminalpolizeiliches Fachverfahren, das Ermittlungstätigkeiten und insbesondere die Auswertungen komplexer Sachverhalte unterstützt. Im Mai 2020 wurde es in der ersten Stufe eingeführt und befindet sich seit August 2021 bei insgesamt acht Teilnehmern im Wirkbetrieb. Im weiteren Verlauf werden weitere Teilnehmer schrittweise aufgenommen.
Die mit künstlicher Intelligenz (KI) unterstützte Erkennung von Material, das sexualisierte Gewalt gegen Kinder enthält, ist ein weiteres Beispiel für eine Anwendung, die sich seit Juni 2020 im Rahmen von Pilotprojekten bei 15 Teilnehmern im Einsatz befindet und auf Basis des Anwenderfeedbacks kontinuierlich weiterentwickelt wird. Bei der Anwendung handelt es sich um ein neuronales Netz mit dem Ziel der Reduktion des von Sachbearbeiterinnen und -bearbeitern zu bewertenden Materials (insbesondere des nicht pornografischen Materials). Um die Auswertung und Analyse der immensen Datenmengen im Zuge strafrechtlicher oder gefahrenabwehrrechtlicher Ermittlungen effizienter und effektiver zu gestalten, wurden verschiedene KI-Software-Anwendungen zur Selektion, Priorisierung und Auswertung von sichergestelltem Bild- und Videomaterial im Bereich sexualisierter Gewalt gegen Kinder entwickelt.
Die erfolgreiche Umsetzung dieser beispielhaft genannten Projekte zeigt, dass die Idee von P20 trägt und funktioniert. Sukzessive werden nun weitere Verfahren der polizeilichen Sachbearbeitung vereinheitlicht, modernisiert und für eine gemeinsame Nutzung zur Verfügung gestellt. P20 ist das Zukunftsprogramm der deutschen Polizeien. Mit ihm wird – bekräftigt durch die Aussage im Koalitionsvertrag 2021-2025, das Programm Polizei 20/20 fortzuentwickeln – die Polizeiarbeit modernisiert und somit die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland stetig erhöht.