Staatsschutzdelikte, politisch motivierte Kriminalität
Artikel Sicherheit
Politisch motivierte Straftaten stellen eine besondere Bedrohung für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung dar. Ihre Erfassung, Analyse und wirksame polizeiliche Bekämpfung ist daher ein besonders wichtiges innenpolitisches Anliegen.
Im Gegensatz zur Allgemeinkriminalität bedrohen politisch motivierte Straftaten vor allem die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Gemeinwesens und die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Die Täter verfolgen mit den Taten politische Ziele beziehungsweise fühlen sich bei der Begehung durch eine Ideologie oder ein Gefühl angeblicher Überlegenheit gegenüber den Tatopfern gerechtfertigt. Sie entwickeln daher häufig kein Unrechtsbewusstsein. Dabei sind Staatsschutzdelikte im eigentlichen Sinne solche, die sich gegen die Verfassung, den Bestand des Staates oder gegen seine innere und äußere Sicherheit richten.
Die Auswirkungen solcher Staatsschutzdelikte oder – weiter gefasst – politisch motivierter Taten sind besonders schwerwiegend, da sie nicht nur unmittelbar die Tatopfer betreffen. Auch bei anderen Menschen können sie die Angst hervorrufen, aufgrund ihrer politischen Einstellung, ethnischen Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung bzw. Identität oder des Geschlechts zu Opfern von Straftaten zu werden. Dadurch ist das für unseren Staat grundlegende Element einer offenen und freiheitlichen Gesellschaft besonders gefährdet.
Beispiele politisch motivierter Straftaten und aktuelle Erscheinungsformen
Die historische Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland reicht vom Linksterrorismus in den [19]70er- und [19]80er-Jahren über die fremdenfeindlichen Gewalttaten zu Beginn der [19]90er Jahre bis hin zu den schrecklichen Taten jüngerer Vergangenheit, die vor allem aus dem islamistischen und dem rechtsextremistischen Spektrum kommen.
Zu den Beispielen gehören:
- die fremdenfeindlichen Pogrome und rechtsextremistischen Anschläge von Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen, die Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke (2019), der Anschlag auf eine Synagoge in Halle (2019) sowie der Anschlag auf Shisha-Bars in Hanau (2020),
- der islamistisch motivierte Anschlag auf US-Militärangehörige am Flughafen Frankfurt am Main (2011), der islamistische Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz (2016) oder der Messerangriff in Dresden (2020) und
- die linksextremistischen Straftaten der Angehörigen der Roten Armee Fraktion, der Bewegung 2. Juni sowie der Revolutionären Zellen.
Zur politisch motivierten Kriminalität zählen aber auch militante Ausschreitungen auf Demonstrationen, die sich insbesondere gegen die Polizei richten. Daneben richten sich linksextreme Straf- und Gewalttaten insbesondere gegen Personen, die von den Tätern als rechts bzw. faschistisch angesehen werden, sowie gegen Wirtschaftsunternehmen. Beispielhaft anzuführen sind hier die Gewaltexzesse anlässlich der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) im März 2015 und beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017. Dabei verübten Autonome teilweise lebensbedrohliche Angriffe auf Polizisten wie auch Bürgerinnen und Bürger. Ein weiteres Beispiel sind die Auseinandersetzungen, die sich regelmäßig am 1. Mai in Berlin und Hamburg abspielen. Auch bei weniger beachteten Straftaten, beispielsweise im Rahmen von militanten Tier- und Naturschutzaktionen oder bei Sachbeschädigungen an Strommasten und Oberleitungen durch Angehörige der Anti-AKW-Szene, handelt es sich um politisch motivierte Kriminalität.
In jüngerer Vergangenheit zeigen sich – etwa im Kontext der Covid-19-Pandemie – neue Formen des Extremismus, bei denen insbesondere der Staat und seine Institutionen in sicherheitsgefährdender Art und Weise delegitimiert und verächtlich gemacht werden. So werden beispielsweise Verschwörungsideologien und antisemitische Ressentiments verbreitet. Ein trauriger Höhepunkt war hier das Tötungsdelikt an der Tankstelle in Idar Oberstein im September 2021, bei dem der Täter einen Tankstellenkassierer erschossen hat, nachdem er von diesem auf die Maskenpflicht hingewiesen wurde.
Aktuelle Entwicklungen und Fallzahlen
Die Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität werden von den Polizeibehörden der Länder erhoben und über die Landeskriminalämter dem Bundeskriminalamt zur bundesweiten Erfassung und Auswertung übermittelt.
Die Auswertung erfolgt jährlich anhand der Zahlen des jeweils zurückliegenden Kalenderjahres. Sobald die Jahreszahlen vorliegen, werden die wesentlichen bundesweiten Zahlen mit einer ersten Analyse zur Entwicklung von der Bundesinnenministerin veröffentlicht. Die aktuellen Zahlen für das Jahr 2023 wurden zuletzt am 21. Mai 2024 vorgestellt.
Die Polizeibehörden sind bei der Bekämpfung politisch motivierter Straftaten besonders gefordert. Dies umfasst zum einen die konsequente Verfolgung politisch motivierter Taten. Zum anderen werden präventive Maßnahmen umgesetzt wie beispielsweise eine verstärkte polizeiliche Präsenz an Szenetreffpunkten, eine offensive Öffentlichkeitsarbeit, ein verstärkter Objektschutz. Außerdem erfolgt ein intensiver Austausch mit ausländischen Partnerbehörden im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.