Taskforce Islamismusprävention

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Sicherheit

Neue Initiative zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierung

Mit den tödlichen Angriffen von Mannheim und Solingen im Sommer 2024 ist der Islamismus in seiner gewalttätigsten Form wieder verstärkt in Erscheinung getreten. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) ein Sicherheitspaket verabschiedet, das neben gesetzgeberischen Maßnahmen auch die Stärkung der Präventionsarbeit und die Gründung der Taskforce Islamismusprävention vorsieht.

aktuelles Zitat:

Bundesministerin Nancy Faeser
"Die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus ist hoch. Wir setzen alle Instrumente unseres Rechtsstaats ein, um islamistische Gewalttaten zu verhindern."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Am 1. Oktober 2024 begrüßte Bundesinnenministerin Nancy Faeser das neunköpfiges Team aus Wissenschaft und zivilgesellschaftlicher sowie behördlicher Praxis. Ziel der Taskforce Islamismusprävention ist es, gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, behördlichen und zivilgesellschaftlichen Praktikerinnen und -praktikern in einem kontinuierlichen Prozess konkrete Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Diese werden laufend in die Arbeit aller im Präventionsbereich tätigen Akteure einfließen und als Basis entsprechender Maßnahmen dienen. Das interdisziplinäre Kernteam der Taskforce wird diese Maßnahmen und Empfehlungen der BMI-Hausleitung in Form von halbjährlichen Briefings vorstellen.

Team aus Praxis und Wissenschaft - die Mitglieder der Taskforce Islamismusprävention

In Absprache mit dem BMI wird das Kernteam weitere Expertinnen und Experten themenbezogen in die Beratungen einbeziehen.

Onlineradikalisierung im Fokus

Als ersten Schwerpunkt nimmt die Taskforce die „Bekämpfung von Online-Radikalisierung junger Menschen vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage“ in den Fokus. Das Internet spielt eine immer bedeutendere Rolle bei der islamistischen Radikalisierung sehr junger Menschen.

aktuelles Zitat:

"Immer häufiger sehen wir junge Täter, die sich im Netz und in Chats radikalisiert haben. Diese Radikalisierungsprozesse müssen wir früher erkennen und stoppen – und möglichst von vornherein verhindern, dass sich weitere junge Menschen radikalisieren."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Seit geraumer Zeit ist zu beobachten, dass Messenger-Dienste und Video-Plattformen zunehmend auch für die Verbreitung von islamistischer und salafistischer Propaganda genutzt werden. Islamisten und Salafisten missbrauchen die sozialen Medien, um besonders junge und vulnerable Nutzer von ihrer Ideologie zu überzeugen, sie zu radikalisieren, zu mobilisieren und zu rekrutieren. Daher widmet sich die Taskforce Islamismusprävention zunächst dem Einfluss digitaler und sozialer Medien auf Radikalisierungsverläufe von jungen Menschen und wird neue Ansätze für eine effektive sekundäre und tertiäre Prävention im Netz entwickeln.

Was ist die Aufgabe der Task Force Islamismusprävention?

  • Beratung der Bundesregierung
  • Erarbeitung von praxisrelevanten Empfehlungen

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz das sog. Sicherheitspaket erarbeitet, das auch den Auftrag enthält, zu Fragen der Islamismusprävention ein beratendes Gremium einzurichten.

Am 01. Oktober 2024 wurde dieses Gremium als Task Force Islamismusprävention eingesetzt und damit beauftragt, die Hausleitung des BMI in einem halbjährlichen Rhythmus zu verschieden Themen der sekundären und tertiären Islamismusprävention zu beraten. Das Thema des ersten Beratungszyklus ist die „Bekämpfung von Online-Radikalisierung junger Menschen vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage“.

Aufgabe dieser Task Force ist die Erarbeitung praxisrelevanter Handlungsempfehlungen, die das Kernteam der Task Force der Hausleitung des BMI vorschlagen wird. Diese Empfehlungen können beispielsweise Forschungsbedarfe, neue Netzwerkansätze oder gesetzliche Änderungsvorschläge beinhalten. Dabei dienen die erarbeiteten Handlungsempfehlungen nicht nur der Unterrichtung des BMI, sondern sollen allen im Extremismuspräventionsbereich tätigen Akteuren zugutekommen.

Wie arbeitet die Task Force?

  • Halbjährlicher Themenzyklus
  • Neunköpfiges Kernteam, das im Rahmen der Arbeitstreffen themen- und anlassbezogen weitere Expertise hinzuzieht und gemeinsam diskutiert
  • Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen der Task Force sind nicht bindend.

Die Bearbeitung eines Themas erfolgt jeweils innerhalb eines halben Jahres durch ein neunköpfiges Kernteam von Expertinnen und Experten der sekundären und tertiären Islamismusprävention, dem zivilgesellschaftliche wie staatliche Akteure angehören. In verschiedenen Arbeitstreffen beleuchtet das Kernteam ein Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und lädt dazu themen- und anlassbezogen weitere Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Praxis und Verwaltung ein. Als Ergebnis sollen praxisrelevante Handlungsempfehlungen stehen, die die Task Force der Hausleitung des BMI vorschlagen wird.

Die thematische Schwerpunktsetzung für die folgenden Halbjahre erfolgt gemeinsam durch das Gremium und BMI unter Berücksichtigung der bisherigen Beratungen und Ergebnisse sowie der jeweils aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen.

Wer ist Teil der Task Force Islamismusprävention?

Ständige Mitglieder der Task Force sind das BMI als Auftraggeberin, die Mitglieder des Kernteams sowie das BMFSFJ als beteiligtes Ressort.

Die Task Force wird eine Koordinierungsstelle unterhalten, die die Kommunikation und Organisation der Arbeit der Task Force übernimmt.

Hinweis: Bitte richten Sie Ihre Presseanfragen weiterhin an das BMI.

Wie informiert die Task Force über ihre Schwerpunktthemen und Ergebnisse?

Die Wahl der Schwerpunktthemen der Themenzyklen erfahren Sie über die BMI-Website der Task Force Islamismusprävention. Auch über die Arbeitsergebnisse der Task Force wird hier informiert.

Wie kommt es zu einer Radikalisierung?

Extremistische Radikalisierung ist ein multifaktorieller Prozess, bei dem sich die Wahrnehmung und das Weltbild der Betroffenen in eine Richtung verändert, die nicht mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung vereinbar ist und außerhalb des deutschen Grundgesetzes steht.

Radikalisierungen verlaufen sehr individuell und unterscheiden sich beispielsweise in ihrer Intensität oder Geschwindigkeit. Die Gründe für eine Radikalisierung sind somit ebenfalls individuell und vielschichtig und können nicht auf einen „Auslöser“ reduziert werden. Nach Informationen aus der Beratungspraxis treten Radikalisierungsprozesse zunehmend bei immer jüngeren Personen auf. Ein häufig beobachtetes Element ist die mangelhafte Bewältigung von altersphasentypischen Entwicklungsaufgaben. Zum Teil leiden Betroffene unter schwierigen oder gar fehlenden sozialen Bindungen und haben keine belastbaren Bewältigungsstrategien gelernt. Extremistische Ideologien und Inhalte, aber auch die Einbindung in das soziale Gefüge eines Milieus können dann beispielsweise die Bedürfnisse nach sozialer Anerkennung oder eindeutiger Ordnung und klaren Strukturen stillen.

Seit einigen Jahren geht die Gefahr vermehrt von Einzeltätern aus, bei deren Radikalisierung der Austausch auf Online-Plattformen und extremistische Online-Inhalte eine große Rolle spielen und die ohne feste Einbindung in eine Organisationsstruktur agieren. Bei einigen der letzten extremistischen Gewalttaten in Deutschland wurden bei den Tätern psychische Auffälligkeiten oder Erkrankungen festgestellt.

Was tut das BMI außerdem gegen islamistische Radikalisierung?

Neben repressiven Maßnahmen, wie Vereinsverboten und Maßnahmen der Sicherheitsbehörden, sind Prävention und Deradikalisierung fester Bestandteil des ganzheitlichen Ansatzes des Bundesinnenministeriums zur Bekämpfung von islamistischem Terrorismus.

Das Bundesinnenministerium begreift Deradikalisierung und die Prävention von Extremismus und Terrorismus als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Um dieser Herausforderung nachhaltig zu begegnen, vernetzt sich das BMI eng mit staatlichen wie auch zivilgesellschaftlichen Partnern, wie beispielsweise im Rahmen des Sicherheitsdialogs mit muslimischen Vertreterinnen und Vertretern. Zudem fördern Bund und Länder vielfältige Distanzierungs- und Deradikalisierungsangebote im Bereich des religiös begründeten Extremismus, die von staatlichen wie auch zivilgesellschaftlichen Akteuren getragen werden.

Wichtigster Partner des BMI bei der Koordination und Förderung von Programmen ist die Beratungsstelle Radikalisierung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), in dem neben der Beratungs-Hotline für Betroffene und Angehörige auch die gemeinsame Projektförderung abgewickelt wird und die Geschäftsstelle der Arbeitsgruppe Deradikalisierung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums angesiedelt ist.

Um stets aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaft in die Arbeit einfließen zu lassen, stimmt sich das BMI eng mit der Beratungsstelle Radikalisierung sowie den Forschungsstellen des BAMF, des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz ab. In Zusammenarbeit werden Präventions- und Distanzierungsmaßnahmen stetig weiter standardisiert und professionalisiert, und die Wissensbasis durch praxisorientierte Forschung kontinuierlich erweitert.

Ein besonders hervorzuhebendes Projekt ist MOTRA - Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung, welches das BKA koordiniert. Es ist ein von BMBF, BMI und BMFSFJ geförderter Forschungsverbund im Rahmen des Spitzenforschungscluster zur Früherkennung, Prävention und Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus im Rahmen der nationalen Sicherheitsforschung. Ziel ist ein umfassendes Monitoring des Radikalisierungsgeschehens in Deutschland zur Stärkung der Evidenzbasierung von Politik und Praxisgestaltung und ein Wissenstransfer zur Praxis und Politik.

Welche Aufgaben hat die Beratungsstelle Radikalisierung beim BAMF?

Das BMI hat bereits Anfang 2012 die „Beratungsstelle Radikalisierung“ im Budesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) etabliert. Die Beratungsstelle hat zwei zentrale Aufgaben:

  • Zum einen berät sie Ratsuchende über ihre Hotline zum Thema Islamismus und Radikalisierung und hat sich als erste Anlaufstelle für Angehörige und das soziale Umfeld von sich islamistisch radikalisierenden Personen etabliert. Bei Bedarf wird eine individuelle, persönliche Unterstützung durch eine Beratungsstelle vor Ort vermittelt; dafür besteht ein vom BAMF koordiniertes Netzwerk aus zivilgesellschaftlichen und staatlichen Beratungsstellen der Länder. Ziel ist es, die Beziehung zwischen den Angehörigen bzw. dem sozialen Umfeld und den radikalisierten Personen wiederaufzubauen und zu stärken, um so einen Distanzierungsprozess anzustoßen.
  • Zum anderen übernimmt sie die zentrale Koordination in der Zusammenarbeit der Akteure in der Präventionslandschaft. Sie unterstützt und vernetzt die mit Maßnahmen befassten Stellen in Behörden und Zivilgesellschaft der Länder. Auch fördert BMI über BAMF eine Reihe von Modellprojekten. Aktuell liegen die thematischen Schwerpunkte besonders auf Online-Radikalisierung, dem Umgang mit aus SYR und IRQ Zurückkehrenden, Kindern und Jugendlichen, dem Umgang mit psychisch Auffälligen und Kranken im Phänomenbereich sowie der weiteren Standardisierung und Professionalisierung der Deradikalisierungsmaßnahmen.

Was macht die Arbeitsgruppe Deradikalisierung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (AG Derad des GTAZ)?

Die AG Deradikalisierung ist eine Service-, Kommunikations- und Kooperationsplattform, die den Austausch zum Thema islamistische Deradikalisierungsarbeit zwischen Bund und Ländern koordiniert. Die Geschäftsführung liegt bei der BAMF Beratungsstelle Radikalisierung.

In mehreren Unterarbeitsgruppen werden praxisorientierte Erfahrungen, Konzepte und operative Handlungsansätze zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierung ausgetauscht sowie gemeinsam an der Weiterentwicklung der bundesweiten Distanzierungs- und Deradikalisierungsarbeit gearbeitet.

Zusätzlich tauscht sich das Netzwerk regelmäßig mit Forschung und Verwaltung aus.

Was ist der Sicherheitsdialog des Bundesinnenministeriums mit muslimischen Vertreterinnen und Vertretern?

Dieser Dialog zu sicherheitspolitischen Fragen wie Islamismus, Extremismus, Prävention, Übergriffe auf Moscheen oder Sicherungsmaßnahmen ist 2015 aus der Deutschen Islam Konferenz (DIK) herausgelöst worden und in die Verantwortung der Abteilung Öffentliche Sicherheits (ÖS) im Bundesinnenministerium übergegangen. Er findet ca. einmal im Jahr statt.

Ziele des Sicherheitsdialog sind Vernetzung, gegenseitiges Verständnis sowie der Austausch zu sicherheitsrelevanten Fragen in einem vertrauensvollen Rahmen.

Gerade im Hinblick auf immer wiederkehrende Bedrohungen und gewalttätige Vorfälle gegenüber Moscheen sowie muslimischen Einzelpersonen ist es ein Bedürfnis der muslimischen Community, in Kontakt zu bleiben und im Fall eines tatsächlichen Attentats o.ä. auf bestehende gute Kontakte aus diesem Gesprächsformat zurückgreifen zu können.

Stand: 22.10.2024