Nationale Strategie der Bundesregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben
Artikel Heimat & Integration
Die Bundesregierung hat am 30. November 2022 die von Bundesministerin Faeser ins Bundeskabinett eingebrachte Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben (NASAS) beschlossen.
Federführend erarbeitet hat die Nationale Strategie der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Dr. Felix Klein.
Er ist beim Bundesministerium des Innern und für Heimat angesiedelt und war vom Bundeskabinett zum 1. Mai 2018 in das damals neu geschaffene Amt berufen worden.
Die Bekämpfung von Antisemitismus und die Stärkung jüdischen Lebens im ganzheitlichen Ansatz
Für das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat die Bekämpfung von Antisemitismus und die Sichtbarmachung jüdischen Lebens besondere Priorität. Damit verbunden sind Aufgaben von herausragender innen-, sicherheits- und gesellschaftspolitischer Bedeutung, die in unterschiedlichen Abteilungen des BMI bearbeitet werden.
Insbesondere die Referate in der Abteilung Heimat, die für die Bekämpfung von Antisemitismus und für Kirchen, jüdisches Leben und Religionsgemeinschaften zuständig sind, arbeiten eng mit dem Beauftragten der Bundesregierung zusammen.
Mit der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben wird die Erforschung, Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus sowie die Förderung jüdischen Lebens als politikfeld- und ebenenübergreifende Querschnittsaufgabe in einem ganzheitlichen Ansatz konzipiert.
Das 5×3-Modell aus fünf Handlungsfeldern und drei Querschnittsdimensionen
Die kompakte und von einzelnen Maßnahmen eher abstrahierende NASAS ist die erste Strategie der Bundesregierung, die ausschließlich die Bekämpfung von Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens behandelt. Sie bezieht systematisch die Betroffenenperspektive ein und enthält Best Practice-Beispiele aus Bund und Ländern.
Kernelement der NASAS ist ein neu entwickeltes 5x3-Modell mit fünf zentralen Handlungsfeldern:
- Datenerhebung, Forschung und Lagebild
- Bildung als Antisemitismusprävention
- Erinnerungskultur, Geschichtsbewusstsein und Gedenken
- Repressive Antisemitismusbekämpfung und Sicherheit
- Jüdische Gegenwart und Geschichte
Diese Handlungsfelder sind auf jede politische oder soziale Ebene übertragbar: Wie Informationen gesammelt und z.B. an Ansprechpersonen oder an Meldestellen weitergegeben und in ein Lagebild eingespeist werden, ist für die Freiwillige Feuerwehr ebenso relevant wie für ein Bundesland (1). Für Antisemitismus zu sensibilisieren und die Geschichte der Schoa zu vermitteln, kann in mittelständischen Familienunternehmen wie auch bei Fortbildungen im öffentlichen Dienst geschehen (2). Wie Erinnerung und Gedenken gestaltet und Geschichtsbewusstsein aufgebaut werden, sollte eine Schule ebenso bewusst planen wie die Bundesbehörden oder Unternehmen (3). Mit welchen Sanktionen Antisemitismus begegnet wird, ist für die Polizei ebenso wichtig wie für einen Sportverein (4). Und Jüdinnen und Juden zu stärken und Begegnungen mit ihren Lebensrealitäten zu ermöglichen, kann ein Jugendclub genauso umsetzen wie eine staatliche Organisation (5).
In alle fünf Handlungsfelder fließen zudem Handlungsaufträge aus den drei Querschnittsdimensionen ein:
- Betroffenenperspektive
- Strukturbildung
- Digitalität
Die Nationale Strategie richtet sich an die gesamte Gesellschaft
Die Nationale Strategie enthält nicht nur Zielvorgaben und Arbeitsaufträge für die Bundesregierung. Sie kann vielmehr von vielen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen bei ihrer praktischen Arbeit genutzt werden, z.B. für die Gestaltung und Überprüfung von Programmen und Maßnahmen gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens.
In die Entwicklung der Strategie waren neben den Ressorts und Organisationseinheiten im BMI auch jüdische und andere zivilgesellschaftliche Organisationen sowie der Beratungskreis des Beauftragten in einem mehrstufigen Partizipationsprozess eingebunden. Kennzeichnend für das Erarbeitungsverfahren war die systematische, sozialwissenschaftlich angeleitete Auswertung der einbezogenen Dokumente und Stellungnahmen sowie ein intensiver prozessbegleitender Austausch u.a. mit zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Den bisherigen Handlungsrahmen der Bundesregierung gegen Antisemitismus bildeten u.a. der zweite Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus (2017), der Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus (2020) sowie der Abschlussbericht und Maßnahmenkatalog des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus (2021).
Antisemitismusbekämpfung im internationalen Kontext
Um wirksam gegen Antisemitismus vorzugehen, setzt sich die Bundesregierung in der Europäischen Union (EU) und darüber hinaus für die kontinuierliche Weiterentwicklung eines europäischen Instrumentariums ein. Ein wichtiger Orientierungspunkt bei der Erstellung der Nationalen Strategie war daher die im Oktober 2021 vorgelegte „Strategie der EU zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens (2021-2030)“. Darin hatte die Europäische Kommission die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, bis Ende des Jahres 2022 nationale Strategien zur Bekämpfung von Antisemitismus zu erarbeiten. Diesen Auftrag hat die Bundesregierung mit der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben nun umgesetzt.